MAKEUP BY MARIO Eyes Rosy Glam

Dachte, ich klatsche mal eine völlig uninspirierte Rezension zu dieser Palette, die erfreuliche 20 Euro gekostet hat und farblich sehr schön ist.
Wenn man blaue Augen hat. Und wenn man maximal Mitte 30 ist. (Nein, ich habe keine Identitätsstörung).

Pros: Sehr gute, feine Textur, muss aufgetupft werden, verblenden ist eher schwer. Hält bombig und schmiert nicht rum. Der schimmernde Lidschatten ist ebenfalls super, haftet gut und gibt eine gute Basis für die anderen, matten Töne. Preis, neee. Die Farbstory ist schön, wenn auch nicht sehr versatil, man kann aber die Lidschatten aufeinander auftragen und dadurch neue Variationen kreieren. Die Verpackung ist gut zuhandeln und der Spiegel ebenfalls, das sind Kleinigkeiten, die mir aber bei anderen teuren Labels immer wieder negativ auffallen. Wenn es so schlecht ist wie bei Tom Ford, kann man es auch weglassen.

Cons: Made in USA, zusammengetütet in der Dominikanischen Republik, und dann in Deutschland zu verstauben. Der Impact auf die Umwelt von Schminksachen ist besonders im Luxusbereich katastrophal, hier etwas katastrophaler, aber zumindest transparent kommuniziert. Das Zeug eignet sich nicht für ein schnelles Make-up, es braucht eine sichere Hand und Können. Ja, es ist Profi-Kram und ich habe morgens halbblind dafür kein Händchen. Eher für Hobby-Einsatz und lange Disko-Nächte, die man immer noch nicht drinnen feiern sollte.

tl;dr Die Marke macht einen soliden Eindruck und bietet gute Preise, diese Palette ist ebenfalls sehr gut.

*/

DIOR BackstageFace & Body Foundation – leider parfümiert

Meine Freundin überredete mich am Counter die Foundation auszuprobieren und ich war sehr angenehm überrascht. Sehr dünnflüssig, lässt sie sich gut verteilen und zusammen mit dem Primer ist es eine bombenfeste Angelegenheit. Sie schwör Stein und Bein darauf, dass sich das Zeug nicht auf weiße Blusenkragen verteilt: Gekauft!

Das Ding ist wie immer: Die Farben. Ich bekam die 1N verpasst und damit ein perfekt ebenmäßiges Gesicht, das aber leider einen sehr leichten, beigen Unterton hatte, während mein Dekolleté gelblich dagegen leuchtete. Wie das passieren konnte? Ich trug ein hochgeschlossenes Oberteil. Die Make-up Artistin hatte keine Chance, zumal das Licht im Alsterhaus wirklich ein Alptraum ist. Erst Zuhause am nächsten Tag, als ich es natürlich eilig hatte, sah ich den Unterschied und konnte nichts mehr machen. Dafür testete ich die Haltbarkeit, denn der Tag war lang, und was soll man sagen: Top. Es färbt natürlich an der Maske etwas ab, denn ich hatte keinen Primer benutzt, aber am Abend sah mein Teint immer noch ebenmäßig aus.

Die Textur ist sehr flüssig und muss schnell verteilt und eingearbeitet werden, lässt sich dafür aufbauen und ist sehr natürlich. Die Parfümierung ist dezent, stört mich aber vom Prinzip her – kann man es nicht einfach weglassen?? Viele feine Farbpigmente bescheren dennoch ein tolles Ergebnis, das vor allem wirklich natürlich wirkt: Kein Glow, keine unnatürliche Mattierung, kein Schnickschnack und Tralala.
Und ein unschlagbares Preis-Leitungsverhältnis, denn 50ml kosten 40 Euro und das Produkt ist äußerst ergiebig. Ein paar Tropfen genügen!

Das Produkt erinnert definitiv an die MAC Pro Serie, nur eben parfümiert, minimal bessere Textur und dem Dior Branding – ich bin allerdings kein großer Fan des Hauses. Dennoch, wer sich an Parfüm nicht stört, findet hier ein gutes Produkt für einen natürlichen Teint. Wer Hautprobleme hat, ist hier vielleicht nicht an der richtigen Adresse; ebenfalls auch nicht Menschen mit sehr trockener Haut. Druch die eher trockene Textur verbindet sie sich dafür hervorragend mit einer fettigen Unterlage, die man da druchaus benutzen kann – das ist im Zweifel ein Punkt, wenn man viele Pflegeprodukte verwendet und Sonnenschutz.
Der fehlende LSF ist auch ein Kritikpunkt: Auch wenn der vollständige LSF durch ein Make-up Produkt nicht erreicht werden kann, ist mir Foundation mit SPF lieber, da ich nicht wirklich mit Sonnencreme im Gesicht zurecht komme. Wenn ich also zusätzlich Spachtelmasse wähle, darf sie auch ein paar Skills mitbringen.

tl;dr: Eine sehr ergiebige, natürliche, aufbaubare Foundation für bestimmte Hauttypen, die besonders mit dem dazugehörigen Primer bombig fest und sehr lange hält.

Ein neues Schlagwort, um mit Frauen Geld zu verdienen: Die Perimenopause und Menopause

Wenn Feminismus Dir nicht auch versucht etwas zu verkaufen, ist es dann überhaupt… Feiminismus?! LOL.

Das Bewußtsein über ein Thema, das übrigens nicht nur Frauen betrifft, sondern auch Männer – aber das steht noch in den kapitalistischen Startlöchern und ist eben noch sehr unpopulär, ist die hormonelle und auch sonstige absolute Abgefucktheit der Perimenopause und Menopause, die tatsächlich schon mit Mitte 30 losgehen kann. Ich erschrecke immer wieder, wie wenig “Frauendinge” den Frauen bekannt sind, dabei bin ich selbst super schlecht informiert. Grundsätzlich ist das nicht ein natürlicher Prozeß, sondern kann ausgelöst werden durch Krankheiten und Entfernung der entsprechenden Organe. Wer darunter leidet, muss das genausowenig hinnehmen, wie alle Mädchen und Frauen, die monatlich verbluten oder an Schmerzen fast sterben.

Und weil wir jetzt darüber reden, kann man eben auch Geschäftskonzepte daraus stricken: Ob Hormoncoachings (warum ist das überhaupt erlaubt, aber naja, fragen wir mal lieber nicht warum Heilpraktiker notwendig sind, wenn die Leute eigentlich Therapie brauchen und diese nicht bekommen können) und Gummibärchen mit Vitaminen etc. (zum Thema Nahrungsergänzungsmitteln als Geldmacherei findet man im Internet einiges…), das Angebot dazu ist verwirrend und macht mißtrauisch. Frauen können nicht nur über die Pink Tax abgezogen werden, sondern auch durch neue Plattformen- und Produktsparten. Ob das immer sinnvoll ist (jenseits vom Wellness Gefühl, was auch okay sein kann) und vor allem wer und was dahinter steht (Unternehmen, die mit Gewinnerzielungsabsicht rangehen), ist nicht immer klar und daher mit Vorsicht zu betrachten.

Immer wieder stolpere ich, auch persönlich als Dienstleisterin, über die Falle, die uns Frauen Kapitalismus stellt: Kann es ein richtiges Leben im falschen System geben?
Die Perimenopause und Menopause zu durchstehen und zu durchleben hieße, sich radikal gegen ein System zu stellen, das Frauen und Männer als reine Produktionskosten sieht, nämlich als Human Ressources. Wer dazu eine Elternschaft wuppen muss, ist allerdings gefickt, denn die Finanzierung des Nachwuchses ist selten sicher gestellt und so ist die Möglichkeit eines Ausstiegs aus der Konsum- und Leistungsgesellschaft nicht möglich. In einem Zeitraum, in den die physischen und psychischen Abläufe sich ändern und das Leben ungeheuer anstrengend machen, ist Zeit genau dafür nicht vorgesehen, dabei würde eine Pause zu einem mittel- und langfristig produktiveren Leben führen. Wenn ich “von der Wiege bis zur Bahre” arbeiten soll, muss ich eben auch mal Pausen haben. Ach so, neee, ich bin ja eine Frau, is’ nich’.

Frauen, bildet Banden! – so hieß das früher, und zumindest für die privilegierten Frauen wäre es möglich. Doch genau das passiert bis heute viel zu wenig, denn sind Frauen erst aus der gegenseitigen Konkurrenz um einen Samenspender und Versorger, bekämpfen sie sich bis aufs Blut in den darauf folgenden Zwischenzonen, ob privat oder beruflich. Frauen netzwerken, allerdings nur zu ihren eigenen Gunsten, bis sie irgendwann, nämlich in/nach der Menopause feststellen, dass sie sich damit ins eigene Bein geschossen haben, und die versprochene Belohnung durch die Männer, weil sie “so gute Mädchen” waren, ausbleibt. Dann wenden sie sich wieder den anderen Frauen zu, die sie im Zweifel mit einer von L’Oreal/Microsoft/LVMH/Nestlé gesponserten Plattform wieder um ihr Geld oder um ihre Daten erleichtern wollen. Natürlich aus reiner Menschenfreundlichkeit. Dort finden die jeweiligen Anbieter*innen gebündelt ihre Klientel wieder und können so Haarfärbemittel, Schlankprogramme und Hormontherapien an die Frau bringen. Dabei ist auch diese Lebensphase irgendwie machbar, nur dass sie in unserem System nicht vorgesehen ist und alle Shortcuts genommen werden (müssen). Es geht Dir schelcht? Hier, Vitaminpillen. Du musst mehr schlafen? Umm, nö. Osteoporose? Gibt nachher eh eine Plastikhüfte, also wozu Sport.
Mehr zur Perimenopause übrigens hier: ADHS bei Frauen und Perimenopause.

Bin mal wieder sehr positiv und aufmunternd, ich weiß, hehe…

Diese Scheisse ist da und muss durchlebt werden, das System ist da und für Frauen ist es sehr sehr unschön, eben weil Feminismus sich immer wieder dem Kapitalismus unterordnet.
Wofür ich plädiere? Seid kritisch. Nehmt alle Angebote an, aber seid dessen gewahr, dass es sich dabei um Geschäftskonzepte handelt. Nicht alles ist seriös oder sinnvoll. Auch Ärzt*innen und andere Fachmenschen haben ihre eigene Sicht der Dinge und es ist gut, sich mehrere Meinungen und Erfahrungsberichte einzuholen.

Redet mit anderen Frauen und gebt Vertrauensvorschüsse, tauscht Euch aus und hilft anderen.

tl;dr Die meisten Frauen haben gar keine Zeit und keine Möglichkeit, Dinge wie Perimenopause bewußt zu erleben, wahrzunehmen und sich darum zu kümmern. Sie funktionieren, und mehr ist nicht drin. Wenn Du also zu einer kleinen Elite gehörst, die Zeit dafür hat, gib dieses Privileg an anderer Stelle weiter.

Symbolbild: Menstruationsurlaub. Haben wir nicht, aber Spanien hat.

Foundation finden

Ausgerechnet ich, die Foundation wirklich selten nutzt und entsprechend SEHR anspruchsvoll ist: Ich bin schon lange nicht mehr mit 80% Passung zufrieden, bei 95% zuckt mein Auge immer noch, ausgerechnet ich bekam die Frage nach der perfekten Foundation für einen langen Tag mit Fototermin, ergo eine Hochzeit. Und natürlich bei jemand, der so empfindliche Haut wie ich und die üblichen kleinen Problemchen, hier fettig, da trocken, und farblich eh außerhalb von den Verkaufsschlagern Stützstrumpf und Leberwurst.

Kommt Dir bekannt vor? Oder gehörst Du zu den glücklichen Menschen, die für 3.99 Euro eine Foundation in der Drogerie nutzen können? Da wäre ich definitiv blass vor Neid, denn freiwillig gebe ich für so etwas keine 50 Euro aus, weil es, ähnlich wie Müllbeutel und Klopapier, eher was praktisches ist und kein Luxus, der wenigstens beim Shoppen Freude macht. Meine Auswahl an Foundations deckt sämtliche Lebenslagen ab, ich habe mattes Zeug, ich habe glowy Kram, und definitiv auch etwas, was mit dem Kärcher und Chlorbleiche runter muss.

Aber erstmal zur Farbe: Lieber zu hell als zu dunkel. Und der richtige Unterton ist essentiell, sonst sieht man aus wie eine Wasserleiche: Grau. Den Unterton der Haut zu bestimmen ist gar nicht einfach, zwischen Rosa, Gelb, Beige und Olive zu unterscheiden ist schon arg schwer, zumal die Farbe je nach Jahreszeit und Ort bzw. Lichteinfall nochmal anders gewählt sein muss.
Ich bin eindeutig Gelb im Unterton, wobei die rötlichen und weißen Narben von Pickeln und Schnitten eine Bestimmung nicht gerade erleichtern. Dazu noch braune Pigmentflecken. Um das heraus zu finden, muss man die Foundation zum einen auf dem Handrücken austesten und dann natürlich nochmal im Gesicht. Man sieht den Unterton auch an Stellen wie Ellenbogen, klingt seltsam, ist aber so. Generell gilt, eine zu dunkle Foundation macht nicht frisch!

Die Konsistenz ist dann das Nächstwichtigere… cremig, flüssig, pudrig, das eine “strahlt” und das andere mattiert, manche sind feine Silikonbomben und manches ist einfach dicke Pampe, die vorsichtig aufgetragen werden muss. Wichtig ist, dass das Produkt sich möglichst leicht auf der Haut anfühlt, nicht brennt, und nicht als Fremdkörper gespürt wird, denn das bedeutet häufig auch eine schlechte Verträglichkeit. Persönlich mag ich gerne flüssige Texturen, die gut einziehen, und darauf Cremeprodukte. Alternativ sind deckende Puderprodukte eine schnelle Sache, die allerdings bei trockener Haut eine sehr gute Pflege darunter erfordern. Man spart sich jedoch einen Zwischenschritt und kann Puderprodukte direkt auftragen. Trockene Haut also lieber cremig und flüssig und gerne nicht so stark pigmentiert, damit es sich nicht absetzt, und dann jeweils immer trockener, je fettiger die Haut wird. Vorsicht bei den Inhaltsstoffen – viel Alcohol denat. macht zwar eine gute Textur, trocknet aber auch aus und ist mittelfristig keine gute Sache für die Haut (nach drei Tagen flippt meine Haut aus und bekommt Pickel, es ist ja schließlich eine Reizung, die durch den Alkohol stattfindet).

Parfüm sollte man immer meiden, auch wenn es den Sexiness-Faktor immens erhöht. Offene Tiegel am besten auch, auch wenn es die Anmutung haben soll, dass sich dort ein sehr pflegendes Produkt dahinter verbirgt. Die Pflege darunter ist eben wichtiger als die Farbpigmente…

Online aussuchen? Ja, dafür gibt es nach wie vor Swatches und Reviews, aber es ist schon nicht einfach. Die Ansprüche sind zu unterschiedlich und was hier passt, passt drüben wieder nicht. Online bestellte Produkte lassen sich aber in der Regel wegen Unverträglichkeit zurück schicken. Ist dann halt so.

Was ich so habe? Eine sehr flüssige BB Cream, die einzieht und wenig deckt, eine IT Cosmetics CC Cream, die super matt und super deckend ist, und Puderfoundation, und sogar eine aus der Profi-Reihe von MAC, die absolut wischfest ist. Doch schwören tue ich auf eine sehr dünne aufgetragene Camouflage, lokal, und etwas losen Puder. Mein Motto lautet optimiert, aber nicht “verkleidet” und vor allem auch nach dem Abschminken wieder erkennbar.

Ein mittelmäßiges Leben leben – Fragezeichen

Ich liebe Werbung. Werbung verrät uns mehr über die Zeit in der wir leben, über Menschen, über Realitäten, als jede Nachrichtensendung, Psychologiestunde oder Philosophieunterricht. Werbung ist die Aufschlüsselung des Seins. Heutiges Beispiel: Eine Coachin auf Instagram, die “das richtige Leben für Dich” verkauft.

Das mittelmäßige Leben, fragt sie, ist es denn nicht erstrebenswert? Und sie erzählt, wie die 42j. Frau (natürlich nicht ZU alt), nennen wir sie Sabine, auf der Couch sitzt und: Nicht(s) strebt. Sie hat ihr kleines Leben, sie liest gerne, fährt immer an die Nordsee in den Urlaub, wo man sie kennt, sie hat einen Bürojob und zwei Kinder. Ab und an ein Glas Wein, lange Spaziergänge, Alltag und wenig Aufregung. Sie will weder abnehmen und knackiger sein, noch will sie die Welt retten, noch hat sie den Ehrgeiz, aus ihren Kindern alles rauszuholen. [sollte ich wortwörtlich zitieren, ist es Zufall, die Werbeanzeige habe ich nicht wieder gefunden…]
Ihre Mittelmäßigkeit ist ihr bewusst und sie findet das super: Es ist das Leben, das sie will. Und es ist das Leben, das zu ihr passt.
Okay, so weit so gut. Ich finde Mittelmäßigkeit persönlich großartig und strebe es an.

Kommen wir zum eigentlichen Punkt: Hier wird ein absolut privilegiertes Leben beschrieben. Es ist nicht mittelmäßig, sondern absolut privilegiert: Alle sind gesund. Sie sitzt in einem Haus. Sie hat keinen Scheißjob. Die Familie kann sich Urlaub an der Nordsee leisten. Rassismus und Diskriminierung kennt sie nicht. Es mangelt an nichts, und mangelnder Ehrgeiz kann niemanden vorgeworfen werden. Würden alle Menschen so leben wollen, gäbe es keinen Krieg.
Was damit allerdings ebenfalls beschrieben wird, ist eine Art, mit Verlaub gesagt, ignoranter Egoismus, denn die Außenwelt kommt nicht vor. Sabine scheint in einer Blase zu leben, die ohne Menschen, Verantwortung und soziale Reibung auskommt. Für viele sicherlich erstrebenswert! Nicht umsonst sagen manche sarkastisch: Ich hasse Menschen.

Sabine kann man nichts verkaufen. Die Intention der Coachin allerdings ist aber, etwas zu verkaufen, und diese Mittelmäßigkeit, als Gegenteil zur Selbst-Optimierungs und Selbstliebewahn, Ehrgeiz etc, wird hochgehalten. Die anschließende Frage läßt Dich sofort den KAUFEN Knopf drücken: Lebst Du auch das mittelmäßige Leben wie Sabine – beziehungsweise ein Leben, das zu Dir passt? Und zack, hat sie die Leute am Haken.

Gut ist gut genug – das finde ich ein tolles Konzept.
Praktischerweise wird in dieser Werbung übersehen, dass das Leben nie so ist. Ich kenne absolut niemanden, und ich kenne viele Menschen, sagen wir mal so, wo alle diese Dinge gegeben sind und die ein mittelmäßiges Leben führen, inklusive mir. Ein Blick hinter den Kulissen, und mir bleibt selten was verborgen, und schon existiert diese Mittelmäßigkeit nicht. Gesundheit, Geld, neurodiverse Kinder/keine Kinder, Scheißjobs, Scheißverwandschaft, Scheißpartnerschaft/Einsamkeit, – das sind alles Baustellen, die es überall gibt. Das zu einem passende Leben auszuwählen bedeutet, diese Probleme alle nicht zu haben oder sie komplett zu ignorieren. Kann eine Coachin das alles lösen? Nein. Ehrlich gesagt ist mir egal, was sie wem verkauft, ich finde es nur niedlich, dass es scheinbar funktioniert. Und sehr viele Frauen(!!!) kommentierten darunter und sagten, ja, ich lebe so und ich finde das geil.
Nun ist das nicht unbedingt eine Zustimmung der Frauen für Mittelmäßigkeit, sondern eine radikale Entscheidung für sich selbst, sich aus gesellschaftlichem Druck zu befreien. Und der fällt auf Frauen sehr viel breiter und subtiler und auch: durchgehender. Jederzeit und in jedem Lebensbereich.
Aber nun gibt es ja das für Dich passende Leben! Finde es! Die Coachin täte gut daran, psychologisch ausgebildet zu sein und lediglich als Spiegel zu fungieren. Ich weiß nicht, wie man sonst jemanden “ein passendes Leben” findet. Denn das kann man nur selbst und es ist ein Prozess, der bestenfalls begleitet werden sollte, aber niemals beeinflusst. Sicherlich tut sie auch genau das, und zur Werbung: Nun ja, Werbung ist Werbung. Sie wird sicherlich vielen Menschen helfen, fertig. Zurück zu Sabine.

Sabine und die anderen haben also ihre Privilegien und ihre Mitelmäßigkeit. Möchte noch einmal betonen, dass “Mittelmäßigkeit” als Begriff absolut fehlt am Platze ist, wir reden nicht über den Mangel an Ehrgeiz, sondern den Mangel an Sorgen!!

Und was ist mit den anderen Frauen, die nicht Sabine heißen? Es muss sie ja geben, die Ehrgeiz zerfressenen Hexen, die CEO Posten anstreben oder die Weltherrschaft an sich reißen wollen, oder aber nur die geilste Frau im Fußballverein sein wollen. Alles Hexen und Emanzen. Ehrgeiz zerfressen. Mittelmäßigkeit reicht ihnen nicht, nein nein.
Sarkasmus beiseite, ein Leben voller Privilegien zu führen, überhaupt ein Leben zu führen, bringt eine gewisse Verantwortung mit sich. Und es bringt immer ein Streben mit sich, wenn man nicht komplett ignorant ist. Der Mensch strebt und der Mensch ist ein soziales Wesen. Selbst das Streben nach Mittelmäßigkeit, also nach dem “gut ist gut genug” ist ja schon ein Streben, das passende Leben zu haben ebenfalls. Der Sinn des Lebens? Der Prozeß der Durch-Lebens. Sich durchwurschteln ist der Sinn des Lebens – aber manche Nicht-Sabine haben vielleicht tatsächlich mehr vor. Ohne diese “Hexen” hätten wir weder Weltraumfahrt, Handys, Röntgen, Kunst, Literatur, Waschmaschinen meine läuft gerade…) noch Bluetoothkopfhörer, die wir im Selbstoptimierungsprozeß namens Sport zur Bespassung tragen. Keine Personalabrechnung mit SAP LOL. Ohne Nicht-Sabine gäbe es keine Nachbarschaftshilfe, keinen Kuchen beim Fußballverein, und kein Personal im Krankenhaus.

Die intrinsische Motivation, mehr als nur mittelmäßig zu sein, egal was und worin, ist einfach da. Vielleicht ist Sabine einfach depressiv und hat kein Bock mehr? Das fände ich eine logische Konsequenz des Lebens als Frau. Vielleicht ist sie tatsächlich rundum zufrieden. Wir wissen es nicht, denn Sabine ist offensichtlich fiktional. Oder Sabine verliebt sich demnächst in den Nachbarn, ja, da haben wir den Salat. Das Hotel an der Nordsee schließt, oder eines der Kinder fängt an zu kiffen und outet sich als non-binär – und das in dem kleinen Dorf! Alles fatale Dinge, die dieses privilegierte Leben PUFF auflösen.

Die Hexen sind alle unter uns, sorry Sabine. Jedes Leben, sei es noch so mittelmäßig, hat Potential, das allerdings nicht jeder nutzen muss.
Und, hast Du das Leben, das zu Dir passt? Wusstest Du denn das schon immer? Dann brauchst Du ja die Coachin nicht zu googeln.
Hast Du das Leben nicht? Dann bist Du eigentlich GENAU RICHTIG. Denn stell Dir vor, Du würdest da in Deinem optimierten Glück sitzen. WTF. Was würdest Du tun? Was würdest Du tun, wenn alles gut wäre? Diese Frage ist eine gähnende Bedrohung für viele, denn die Komfortzone hat man sich mühsam aufgebaut und sie zu verlassen ist nicht unbedingt schön und auch nicht immer ratsam. Lebst Du das richtige leben für Dich? Natürlich nicht!
Natürlich nicht!!
Und das ist auch gut so!!!
Wer will denn Mittelmäßigkeit? Wollen wir nicht ein Hollywood-Star sein? Oder zumindest reich? Oder den Welthunger beenden? Die Klimakrise? Frieden auf der gesamten Erde? Menschenrechte und Gerechtigkeit? Den latent pädophilen Sportlehrer aus dem Beruf kicken? Wollen wir denn nicht – wollen?

Denn ganz ehrlich, führt man diese Mittelmäßigkeit konsequent als Konstrukt zu Ende: Wer so eine Mittelmäßigkeit will, so wie Sabine in ihrem Kokon, entscheidet sich ab einem gewissen Punkt für Egoismus und Ignoranz. Alles soll so bleiben, wie es ist. Irgendwann heißt es: Die Hexen sollen brennen. Da wird Sabine sagen: Interessiert mich nicht, Hauptsache der Rauch stört mich nicht. Es gibt eine große Bandbreite zwischen “gut leben”, Mittelmäßigkeit und “alle Ausländer raus” aber sind wir ehrlich, wessen Werte “ich und mein Privileg” lauten, hat keine. Aber zurück zum richtigen Leben für Dich.

Was würde ich denn da tun? Werte definieren. Was ist mir persönlich wichtig, was ist skalierbar und wohin es skalierbar ist. Gut ist übrigens immer noch eine gute Sache! Gut sein, Gutes tun, gut leben. Und ja, die Coachin hat nicht unrecht, jede*m das eigene “gut”. Gut als Adjektiv oder Adverb, wohlgemerkt. Aber kein singuläres “gut” wird funktionieren, denn wir können nur gut sein im Verhältnis, somit auch im Verhältnis zum Anderen (Bissi Derrida gefällig?). Wenn mir Menschen erschießen gut tut, werde ich mir nichts Gutes tun können. Manche mobben dann, und wundern sich warum sie keiner mag. Arschloch zu anderen sein, kann also kein “gut” sein. Wir können nicht für uns alleine entscheiden. Was wir können, ist allerdings das Privileg wahrnehmen und es nutzen. Sabine, Du hast ein geiles Leben, gönn Dir. Aber wenn es mal hart auf hart kommt, entscheide Dich nicht nur für das kleine Bild, sondern auch für das größere.

UND:Wir übersehen in diesem “ich”, “mein Leben”, dass viele kleine Dinge bereits dieses “gut” ausmachen. Gut sein. Nicht superduper. Kein Zwang, kein Perfektionismus, nicht mal eine durchgehende Erfüllung dieses “gut seins”, denn auch doof sein gehört dazu. Das Streben, gut zu sein, reicht schon. Und wir verkennen es zu oft. Würden wir dann noch so viel konsumieren? Eher nicht… würden wir nach Wachstum streben? Ist da etwa ein Widerspruch?! Nein, es ist eine Frage nach dem Maß. Gut ist als Wert auch eine Bandbreite, wenn man ehrlich ist, also werden wir immer etwas anstreben, ein gutes oder besseres “gut”.

Was mich persönlich betrifft allerdings… ich bin eine Hexe.