Eigentlich hatte ich einen anderen Beitrag für heute geplant, wachte jedoch nach einer schrecklichen Nacht auf und öffnete die Twitter-App um mich zu vergewissern, dass der größte Teil der Welt steht. Leider ja, und die Welt macht weiter wie sie es immer tat, Krieg, Misogynie, Kolonialismus und Diebstahl. Läuft ja Hand in Hand. Um es kurz zu fassen: I woke up and I chose violence. Na ja, ein bisschen Tee holte mich wieder runter…
Ich stolperte auf Twitter über das Cover eines Magazins, das unter viel Arbeit entstand und mit sicherlich guten, kritischen Inhalten aufwartet. Auf dem Cover prangt eine Zeichnung von der britischen Chef-Kolonialistin, der Queen. Jetzt stolze ü90, bezieht sich die Zeichnung auf ein Bild, als sie etwa 30 Jahre alt war. Nun ist es nicht die VOGUE, die so dermaßen frauenfeindlich ist, dass wir es nicht mehr sehen, sondern ein Intelektuellen-Blatt.
Ich habe also mal nachgefragt.
Wird beispielsweise Gerhard Schröder medial so abgebildet, wie er ist? Ja. Kein Bild, wo er 40 war. Arschloch damals und auch heute, ist er als alter, weißer Mann aber scheinbar als Bild tragbar. Queen Elisabeth, die den Spruch “You are not ugly, just poor” sinnbildlich darstellt, ist hingegen auf diesem einen Cover ca. 60 Jahre jünger. Und so geht es vielen Frauen, insbesondere den von Berufs wegen schönen Frauen.
Einzig intelektuelle Frauen dürfen im Ansatz über 40 sein – da fallen mir allerdings auch nur Hannah Arendt ein, und Jutta Allmedinger, die allerdings auch relativ jung aussieht.
Also, ich habe den Chef des Blattes wie gesagt, freundlich gefragt. Die Antwort kam von anderer Seite zwar, aber konnte das Bild als Juxtaposition zum Überbleibsel der Monarchie, also eine junge Frau und die Symbolik des Relikts Monarchie als Gegenspiel, erklären. Das Bild zeigt die junge Königin bei der Krönung, mitsamt ihren Reliquien. Okay, dingdong. Ich habe die Bildunterschrift gar nicht erst gelesen/gesehen, gebe ich zu, shame on me.
Diese Art des Sehens und der Bebilderung hat allerdings eine sehr lange Tradition, das ist etwas, was sich so hartnäckig hält, dass wir es weder bemerken noch hinterfragen. Aus meiner Warte als Kulturwissenschaftlerin denkend, sprechend und fragend, ist das bildhafte Denken, gerade in Bereich Medien, das spannendste Untersuchungsobjekt, das mir nicht nur über uns, unsere Zeit, sondern gelegentlich auch über mich selbst viel sagt. Wir können Erkenntnisse ja nicht losgelöst von der eigenen Subjektivität haben, lediglich diese hinterfragen und aus anderen Perspektiven betrachten und betrachten lassen. Ja, Wissenschaft ist nicht nur fallibel, sondern diskursiv, man kann nicht alleine Erkenntnisse haben, diese werden stets in einer Gemeinschaft evaluiert und überprüft. Deswegen war es wichtig zu fragen und eine andere Sichtweise zu bekommen – und diese nebeneinander gestellt sind beide valide. Vom Blatt-Chef kam zusätzlich die Antwort, dass sie die alte Queen schon mal auf dem Cover hatten, und jetzt halt ein anderes Bild genommen haben. Easy. Nach meiner Frage wette ich, dass er das nächste Mal diese Frage im Hinterkopf hat. Solche Leute kritisieren ist immer einfach und das habe ich lange getan, aber es ist viel cooler, wenn sie stattdessen eine neue Facette in ihrem Denken aufnehmen. Weil sie es können und weil sie an den richtigen Hebeln sitzen, und wir eh alle davon profitieren würden.
Anyway, ich habe medial nicht mehr all zu lange zu leben, denn ich bin demnächst Mitte 40, dann 50, und dann muss ich mir eine Tüte über’m Kopf ziehen und den Platz freimachen. Einzige Ausnahme: Ich bin schlank, operiert und medial als Gegenbeispiel erfolgreich (da fallen mir grad’ nur kinderlose Frauen ein, komisch). Da beißt mir meine eigene, internalisierte Frauen- und Altersfeindlichkeit, die dazu einen besonders starken rumänischen Hintergrund hat, in den Hintern. Ist übrigens ein rumänischer Spruch, das mit dem in den Hintern beißen, ja.