Trends, die ich nicht mehr sehen kann
Ich gebe zu, ich habe eine leichte Instagram Vergiftung. Man kann vielen aufklärenden Accounts folgen, Journalistinnen, es gibt Kultur, aber ich, ich mache was mit Mode und Schmuck und gerade letzteres ist für mich eine kleine Alltagsflucht.
Natürlich ist es schwierig, wenn man wie ich keine Verfechterin von Trends ist, sondern eher Stil bevorzugt. Meiner ist leider unverändert geblieben und ich habe mich nicht neu erfunden; jegliche Versuche gingen nach hinten los. Und ich möchte wirklich betonen, dass ich meinen sehr langweiligen Geschmack keineswegs versuche, auf andere zu übertragen: Ich bringe ausreichend Empathie auf, um auf Grundlage deren Stils arbeiten zu können. Niemand muss “so” oder “so” aussehen – innerhalb der eigene Möglichkeiten einfach das beste rausholen gilt!
Trotzdem, es gibt ein paar Sachen, die ich wirklich nicht mehr sehen kann. Vielleicht ist das jetzt einfach eine kleine Polemik.
– bauchfreie Oberteile. Bitte, wir haben nächste Woche minus zehn Grad. Und ja, ich kaufe gerne das komplette Kleidungsstück, nicht nur den oberen Teil.
– Schmuck, der gelayert wird. Mehr ist nicht mehr und nicht besser und manchmal nicht gut! man kann sich behängen wie ein Weihnachtsbaum, besonders beliebt sind ja Modelle, die ich gerade die letzten Jahre zum einschmelzen gebracht habe, weil sie einfach hässlich sind. Panzerketten. Das ultimative Ghetto-Accessoire, nun völlig unironisch an den Hälsen weißer, privilegierter Studentinnen-Uschis.
– zierlicher Schmuck. Ja, sieht hübsch aus, aber auch nur wenn man von den Ringen vier nimmt, und auf einmal hat man doch über 1000Euro ausgegeben, und die Dinger gehen schnell kaputt, und überhaupt, es sieht alles aus wie Modeschmuck.
– Combat-Boots. Die klobigen Stiefeletten mit klobiger Sohle erinnern arg an Laura Craft Zeiten, an Techno-Szene und weiße Handschuhe, und sind nicht einmal praktisch. Ja, es lässt selbst einen Elefanten zierlich wirken, das mag sein, aber trotzdem…
– Sneakers. Es ist nachgewiesen, dass sie orthopädisch eine Sünde sind und dazu machen sie Käsefüße. Kinderarbeit kommt erschwerend hinzu. Daumen zig mal runter!
– Logo-Shirts und -taschen. Ja, Balenciaga, ja Chanel, ja Du bist geil, hast eine Handtasche für sechs tausend Euro um den Hals und wir alle sind arme Neider und Opfer. Ich nehme hier natürlich meine Handtaschen-sammelnden-Freundinnen aus, die sind besessen, und das kann ich verstehen. Oh, und blame it on me, denn ich besitze auch ein Logo-Sweatshirt, aber das ist eben schon alt, und da war ich Trendsetterin. Außerdem ist die Marke in DE eher unbekannt.
– die weite, bis zum Knöchel gehende Hose, eine verlängerte Culotte sozusagen. Der Trend kommt scheinbar aus China, einfach mal China Street Style googeln und sich an den fashionpornösen Dingen ergötzen. Geht auch nur, weil die Physis, die man dafür benötigt, sehr schmal und dünn und gerade ist.
– Die Bauchgürteltasche, eine Reminiszenz der Sexworkerinnen-Szene der 90er und vermutlich auch danach. Viele Dinge sind in die Populärkultur eingegangen, die ein Distinktionsmerkmal von Randgruppen war, wie Tattoos und Acrylgelnägel. Zwischen Tabubruch und Cultural Appropriation tanzend, haben bestimmte Dinge einfach immer noch ein Geschmäckle, je nach, wo und wie man aufgewachsen ist.
Am allerschlimmsten jedoch ist die schönheitschirurgische Massenangleichung, eine Schwemme schmaler Nasen, aufgespritzer Lippen, hochgespritzter Wangen und zurechtgezogener Gesichtspartien. Und das bereits ab Mitte 20. Da bin ich immer noch unentschieden, wie ich das finde. Autonomie über den eigenen Körper, ja, aber auch Unterwerfung unter modischen Idealen.
Tja, die individuelle Freiheit ist wohl auch eine gern genutzte Lüge.
Schön übrigens, dass auch Männer sich dem Diktat unterwerfen, denn selbst Milliarden reichen nicht aus, um aus einem Nerd einen heißen Dude zu machen, siehe Elon Musk und Jeff Bezos.