Über Schönheit

Wenn Du eine Kiste mit all den verloren gegangenen Sachen bekommen würdest, wonach würdest Du als erstes suchen? Ich verliere sehr selten etwas, ich habe eigentlich noch nie Gegenstände verloren, aber dann musste ich innerlich grinsen, denn meine spontane Antwort war: Meine Schönheit.

Ja, da musste ich dann selbst laut lachen.

Zum einen war ich nie “schön” im klassischen Sinne, normschlank und hübsch, das ja. Es gibt einige Bilder von mir auf denen ich die perfekte Figur, perfektes Haar, das perfekte Outfit habe, aber ich habe mich damit nie beschäftigt. Es war für mich kein Maßstab. Der Blog zeigt, wenn man weit genug blättert, auch total gruselige Bilder von mir, die definitiv nicht von Eitelkeit zeugen. Mir ging es nie darum schön zu sein, sondern um den Prozess, etwas schöner zu gestalten. Oder zu verbessern, eine Obsession die zumindest meiner geplagten Haut zugute kam.

Der Euphemismus “Schönheit liegt im Auge des Betrachters” ist ja so nicht wahr. Wir empfinden etwas als ästhetisch ansprechend wenn es symmetrisch ist, bemerkenswert wenn die Symmetrie dann leicht gestört wird. Unsere Sehgewohnheiten sind kulturell geprägt. Und was ist mit der Selbstwahrnehmung? Die wird stark durch die Sozialisation geprägt, Kita, Elternhaus, Umgebung (Ghetto oder nicht). Was allerdings derzeit als gesichert gelten kann: Schönheit zahlt am Markt mehr als Intelligenz. Es wird nur davon übertroffen, dass frau(sic) Geld braucht, um im Zweifel ebendiese Schönheit herstellen zu lassen. Mit Geld ist alles verfügbar, und das mit vielen Short-Cuts (OP statt Sport/Diät).

Kleine Anekdote am Rande: Bei einer Maniküre erfuhr ich von der Dame, die gerade mal 19 war (ich hatte sie auf Anfang 30 geschätzt), dass sie auf eine Brustvergößerung spart. Die Lippen und die Nase hatte sie schon gemacht. Auf meinem erstaunten Einwand sagte sie, sie sei eben im “Milieu” unterwegs und da sei es schwer, weil es alle machen. Für sie somit eine Frage der Investition in ihrer Arbeitskraft, so wie andere eben zur Uni gehen für einen besseren Arbeitsplatz. Es folgte ein fachlicher Austausch, und trotz der anekdotischen Evidenz hallte in mir die Frage nach: Was wäre gewesen, wenn auch ich woanders aufgewachsen wären? Nicht in einer Umgebung, die geprägt war durch eine intellektuelle Mittelschicht, sondern in der Nähe von St. Pauli, umgeben von Sexworkerinnen. Tja.

Die Reduktion des Selbst durch ein Attribut, das man so stark nach vorne stellt, ist die Kehrseite der Medaille. Ich fing also mit dieser Seite der Medaille, dem intellektuellen Austausch durch den Blog und den Austausch mit anderen Frauen, und kam dann viel zu spät zur Frage, ob ich einen anderen Weg hätte einschlagen müssen. Statt auf Hirn und Karriere zu setzen, wären zwei bis drei Scheidungen eine perfekte Altersvorsorge gewesen. Schönheit ist ein Marktwert, wenn auch kein seltener. Da fällt mir ein, dass der Social Media Influencerinnen-Markt sehr starke Sexwork-Vibes hat, denn der vermeintliche “Insta-Boyfriend” übernimmt häufig im Hintergrund die Rolle des Vermarkters, also die des Zuhälters. Die Parallelen sind nicht zu übersehen. Verkauft wird stets das gleiche: Eine Illusion.

Auch Schönheit ist eine Illusion, erzeugt durch Belichtung, Winkel, Make-up, und Photoshop.

Sehr spät habe ich gelernt, dass es etwas anderes gibt, was absolut alles in den Schatten stellt und was Männern viel früher mit auf den Weg gegeben wird: Attitüde.
So richtig habe ich es auch erst gerafft, als ich im Zuge des ü40 Datings (HUST) andere Frauen beobachtet habe. Attitüde ist eine Sache jenseits von Botox und Lipfillern, von Kleidergrößen und normativen Aussehen und kommt definitiv gepaart mit Macht. Solche Frauen haben Macht.
Tatsächlich führt also der Weg der Veränderung gesellschaftlicher Normen über den Bruch mit den gesellschaftlichen Normen. Es geht also stets darum, im privaten eine politische Entscheidung zu treffen (ich werde es jetzt in jedem Beitrag bringen LOL), die je nach Umfeld ganz unterschiedlich ausfallen kann.
Sollte jetzt der Einwand kommen: Ich will aber nicht so wie ein Mann sein/handeln/agieren – nun, keine Angst, so schnell wächst einem nicht ein Bart, ein grundloses Selbstvertrauen und vor allem: Wirst Du nie ein Mann sein, selbst wenn Du als Lesbe im Holzfäller-Hemd rumläufst, denn Du wirst immer irgendwann ausgeschlossen. Es geht also gar nicht darum wie ein Mann aufzutreten, sondern die Attitüde zu lernen, die Jungs und Männern zum Teil als Teil ihrer toxischen Männlichkeit auf den Weg mitgegebene wird: Du bist das Maßstab der Dinge.

…betrachtet frau diesen Satz “Du bist das Maßstab der Dinge” allerdings losgelöst von der ganzen Debatte der Rollenzuschreibungen (die leider sehr binär verbleibt, aber es dient der vereinfachten Aufnahme solcher Texte LOL), dann ist das eine Norm, die man durchaus ein wenig zurecht stutzen muss, aber ansonsten Geltung hat. Die Frage nach einem Mittelweg in diesem “Ich als Norm” stellt sich uns sowieso nur,weil wir die Sozialisierung als Frau haben. Diese Frage würde sich ein Mann nie stellen, oder (rhetorische Frage). Also, keine Angst davor, zum “Kerl” zu werden.

In der Kiste mit den verloren gegangenen Dingen müssten wir also eher nicht suchen. Wir bräuchten eine andere Kiste, nämlich die mit den Dingen, die wir nie hatten. So I leave you here mit einer Hausaufgabe: Was ist in der Kiste drin?

Der kollektive Burnout 2022

Keine Ahnung welches Jahr, welches Datum, welcher Lockdown, aber ich erinnere mich an die Worte meiner Psychologin, die sagte, wir wären jetzt alle in einem kollektiven Retreat und würden mal runterfahren. JA. Dem war so, allerdings nicht lange genug, und dann wurde wieder alles hochgefahren und es wurde und wird gestorben und auch geimpft, aber: Der Versuch, alles so weiter laufen zu lassen wie gehabt, ist gescheitert.

Des Deutschen liebstes Ding ist: DAS HABEN WIR SCHON IMMER SO GEMACHT. Es herrscht eine lähmende Angst vor Veränderung, vor Wegbrechen der Machtstrukturen einerseits, vor Aufgabe von Komfortzonen andererseits. So haben wir uns kollektiv in das erwartbare und vorhersehbare reingeritten: Das Ende der Kräfte.

Wenn mir die total gechillte Mutter schon sagt, sie würde nur noch funktionieren und wüsste eigentlich auch nicht mehr was und wie sie es tut, während ich schon so durch bin, dass ich in einem merkwürdigen Ruhestadium verfalle statt zu überkompensieren, wenn absolut jede:r, ob mit Traumjob, mit oder ohne Kindern, wohlhabend oder nicht, sagt, sie/er könne nicht mehr – dann… ja, was dann?

Der Burnout der Unternehmen ist prozessbedingt, da hängen Menschen und Strukturen der Digitalisierung nach, nicht weil sie es nicht können und wollen, sondern weil Technokraten – Technologen sind die guten, da würde ich mich auch zu zählen! – keine Rücksicht auf menschliche Bedürfnisse nehmen, die durchaus mit Technologie besser bedient werden könnten.

Der Burnout der ELtern ist mit einem Wort erklärt: Durchseuchung.

Der Burnout aller anderen ist natürlich der Pandemie geschuldet – man solle bitte das Hamsterrad weiter antreiben, nur dass man statt Rädern kleine Dreiecke eingebaut bekommen hat. Die Kompensation eines idiotischen Systems gelingt nicht mehr, nicht mehr mit Urlaub (nicht möglich), nicht mehr mit Chanel Handtasche (wohin ausführen?!) und nicht mehr mit sozialem Kitt, der uns bislang gerettet hat, weil der schlichtweg schwierig geworden ist. In der “jeder ist sich selbst der Nächste” Version der Pandemie, in der wir uns schon lange befinden, ist es müßig, irgendeinen Kraftaufwand für andere zu betreiben – und doch gibt es immer wieder kleine Funken der Hoffnung und Solidarität.
Allerdings sind wir immer noch mitten in der Pandemie und wir müssen uns ernsthaft fragen, wie es passieren konnte, dass wir täglich unsere Toten zählen (trotz Impfung und einer der besten Infrastrukturen der Welt) und eine Durchseuchung der Kinder und damit unzählige chronisch Schwerkranke in Kauf nehmen. Auch darauf hat jede:r seine persönliche Antwort nehme ich an, und ich fürchte, meiner werden sich viele anschließen: Eine politische Nicht-Entscheidung nach der anderen sowie eine neue Regierung, die aus offen korrupten Politikern besteht.

Dieser Satz brannte sich in meinem Gehirn ein: Wie man mit den Schwächsten der Gesellschaft umgeht, daran kann man ein Land messen.

Aus einer Diktatur kommend, wo man Behinderte und Waisen einfach weggesperrt hat, etwas was mich persönlich immer noch sehr belastet, da ich es ganz kurz zur Gesicht bekommen habe, kann ich dem nur zustimmen. Also, der Bodensatz der Gesellschaft sind nicht korrupte Politiker und steuerhinterziehende Menschen, nein, es sind Obdachlose, Hartz4 Empfänger:innen und obacht, Kinder. Das ist Deutschlands absolute Schattenseite, ein so wohlhabendes und meines Erachtens demokratisch starkes Land, strebt in eine sehr merkwürdige Richtung. Die Demokratie ist durch das Aufleben des Nationalsozialismus und Faschismus durchaus gefährdet, doch auch das momentan bestehende System, was ausgerechnet unter der Ägide der Sozialdemokraten den Bürger:innen Hartz4 eingebracht hat, zeigt deutlich in welche Richtung ein auf Wachstum gepolter Kapitalismus geht. Die Basis (sic!nicht Kehrseite!) des Wohlstands ist Kinderarmut und ein Existenzminimum, der diesen Begriff nicht wert ist.

Nun habe ich in einem Satz Demokratie und Kapitalismus erwähnt und ja, der Zusammenhang ist ein bisschen wie die Psychosomatik: Jedes Krankheitsbild ist eine Dichotomie beider Dinge, des körperlichen und des psychischen Zustandes. Weil letzteres in der Schulmedizin nicht vorgesehen ist bzw. getrennt behandelt wird, doktort man ewig herum an Krankheitsbildern. Und so geschieht es auch mit unserem Alltag, oder System meinetwegen: In dem Dualismus Demokratie und Kapitalismus, der sich eigentlich widerspricht, funktionieren viele Dinge NICHT und der Widerspruch zeigt sich mit dem Ergebnis, dass wir jetzt in einem kollektiven Burnout gehen.

Finanzkrise und Inflation, Klimakrise, Krieg und zeitlich die Roaring 20es, den ein Prozent der Weltbevölkerung fliegt demnächst in riesigen phallusförmigen Raketen durchs Weltraum, mit dem CO2 Abdruck eines ganzen Kontinentes. YAY! Man muss es lieben!

Natürlich gibt es viele Hebel, die man setzn könnte, die wirtschaftlich sinnvoll sind und auch umsetzbar im riesigen Technokraten-Apparat Deustchlands, aber: Entscheidungen sind nicht vorgesehen. Und jetzt, wo drei verschiedene Parteien, also drei genuin auseinaderstrebende Interessen sich einigen sollen, werden wir die DAS HABEN WIR SCHON IMMER SO GEMACHT – Ära fortführen und uns kollektiv gegen die Wand fahren. Natürlich nur der Teil der Gesellschaft, der eh schon am Rand hängt. Die Hebel sind alle bekannt. Schon lange.

Ich hänge natürlich eine Frage an, die mich persönlich sehr umtreibt – was tun wir? Was tun wir im Alltag, was streben wir an für Werte, wie verhalten wir uns? In unserem Mikrokosmos. Weil, Post Scriptum as usual: Das Private ist politisch.

Und kleiner Link zum Thema Armut:
https://perspective-daily.de/article/1908-armut-ist-in-deutschland-laengst-kein-randphaenomen-mehr/XcBWdYzk

Mein Jahresrückblick – Erfolgreich oder Failed?

Just in einer fruchtbaren (nicht: furchtbaren!) Diskussion geraten über Ageism mit einer jungen Autorin und einer etwas älteren Aktivistin, die über meinen radikal-miesepetrigen Ton etwas gestolpert sind – Instagram eben. Das ließ sich klären und ich freue mich sogar über meinen Fauxpas, weil er mir gerade eine ganz radikale Erkenntnis brachte:

Ich bin erfolgreich.

Und während ich gerade hier sitze, mit einem Arschvoll zu tun und nicht der geringsten Lust dazu, musste ich laut lachen.
Okay… Weiterlesen…

Kinder impfen – ja bitte

Der Journalist neulich interviewte mich zum Thema Impfungen für Kinder. Als Mutter habe ich bestenfalls eine Meinung, und als Geisteswissenschaftlerin keine Ahnung, aber: Ich möchte meine Kinder bestmöglich schützen und ich habe ein internationales Netzwerk als Wissenschaftler:innen, Ärzt:innen und Pharmakolog:innen. Die sind zum Teil auch einfach Beautyblogger LOL oder aber zufällig meine Verwandschaft.
Das Interview findet Ihr eh nur hinter der Paywall, es geht aber darum, dass wir Eltern derzeit verzweifelt versuchen, zeitnah einen Termin zum Impfen zu bekommen, jetzt wo die offizielle Zulassung da ist. Kinderärzte weigern sich hier vor Ort, zum Teil komplett. Neben der logistischen Vollkatastrophe, was Impfstoffe betrifft, kommt noch die ethische Komponente dazu. “Alte”, geimpfte und somit geschützte Menschen argumentieren mit “Muss doch nicht, Kindern passiert nix!” und Eltern kleiner Kinder, wo die Inzidenzen bei über 1000 liegen, kotzen im Strahl. Vergleiche wie: Ja, dann darfst Du Dein Kind auch nicht auf die Straße lassen oder alleine Bus fahren hinken ein wenig. Es sind mehr Leute an Corona gestorben als an Verkehrsunfällen – wollt Ihr mir noch was zu Statistiken erläutern?!

WIR HABEN EINE PANDEMIE. PUNKT.

Und ich bekam natürlich!! einen Leserbrief. Wollen wir mal ein wenig sezieren:

Sehr geehrte Frau Tribel,

mit Interesse habe ich Ihren Artikel über das Impfen von Kleinkindern gelesen. Kennen Sie eigentlich das Wort “Kosten-Nutzen-Rechnung”?

Offizielle Todes-Statistik COVID-19:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1104173/umfrage/todesfaelle-aufgrund-des-coronavirus-in-deutschland-nach-geschlecht/

Seit 2 (!) Jahren mit/an COVID-19 verstorben unter 10 Jahre: -> 20 Menschen!

Eine Impfung würde bei 8 Millionen Kinder (Bevölkerung unter 10 Jahre in Deutschland) nicht nur mehr Menschenleben kosten (statistisch gesehen nach Impfung), sondern auch ebenso mehr längere gesundheitliche Nebenwirkungen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Kleinkinder auch nur an Long-Covid erkranken ist statistisch gesehen gleich 0, andersherum aber wesentlich höher.

Also Sie werden Ihre Kinder impfen lassen und können das auch noch verantworten? Ja? Dann rechnen Sie selber mal nach.

Bleiben Sie gesund (und vor allem Ihre Kinder!),
XXX

Also: Ich solle doch mal KOSTEN NUTZEN RECHNUNG betreiben. Zynischer geht es nicht. Hey, Dein Kind könnte mit 21 eine chronische Krankheit entwicklen, mmmhhhh… am besten gleich abtreiben. Ach nein, das darf ich dann ja auch nicht ohne weiteres, also… mmmmmmhhhh vielleicht doch noch mal ganz kurz darüber nachdenken, das der Begriff Eugenik jetzt ganz sanft trippelnd an der Haustür klopft?! Kosten-Nutzen-Rechnung? Jeder Rentner sollte dann getötet werden. Die Männer aber nur. Frauen betreuen ja noch Kinder. Denn die männlichen Rentner kosten nur Geld und ziehen über ihre Rente Geld ab, tun aber nichts mehr für die Wirtschaft, im Gegensatz zu den Omis, die noch Kinder aufziehen, damit die Eltern arbeiten können. KOSTEN NUTZEN RECHNUNG BABY!!

Die Argumentation der Impfgegnger ist leider eine faschistische und damit schlecht getarnte Eugenik: Die Stärkeren setzen sich durch, das Immunsystem wird, bla bla bla. Wenn die Impfgegner an Covid sterben und eingeäschert werden, was ist das? Ethnische Säuberung?

Deswegen, bitte sehr, das Grundgesetz:

Die Würde eines Menschen ist unantastbar. Und weil Kinder nicht explizit genannt werden, aber sehr wohl gemeint sind, kann es keine Diskussion geben, sondern nur Zeitpunkte der medizinischen Versorgung durch entsprechende Fachpersonen.

P.S.: An die Mutter, die ihr Kind hat impfen lassen (selbes Interview!) und meine Nummer hat, und die Info darüber nicht weiter gab: FICK DICH. Das ist soo deutsch, was Du gemacht hast. Deswegen haben wir immer noch eine Pandemie: Null Solidarität, jeder ist sich selbst der Nächste. Ekelhaft!

-> Es geht weiter, MOHOMENT: Weiterlesen…

Gehen Luxus und Nachhaltigkeit zusammen?

Ambivalenz. Das ist der falsche Begriff hier, denn die führt bekanntlich zu Konflikten. Was sich also auf den ersten Blick ambivalent anhört oder zueinander verhält, erachte ich als sinnvolle Ergänzung, eine postkonsumatorische und elitäre Verknüpfung sicherlich, die jedoch notwendig ist, um angesichts dessen, das wir global gemeinsam abkacken, eine Perspektive zu finden. Das Ding mit der Suffizienz klappt hier und da, nicht immer, nicht überall, und bitte beachtet den letzten Kommentar dazu, den kann ich sehr gut verstehen so sechs Jahre später… ich zitiere mal, er kommt von einer sehr klugen Frau:

Mit all dem kann ich nur resümmieren, nein ich empfinde und praktiziere keine Suffizienz. Und da Suffizienz also einen Unterschied darstellen würde zu meinem Leben so wie es jetzt ist, will ich sie offen gestanden auch gar nicht. Allerdings muß ich auch sagen, daß ich von Haus aus nicht dazu neige mir aus Unachtsam- oder Gleichgültigkeit von irgendwas vier oder fünf mehr oder weniger äquivalente Exemplare zu kaufen, und ich schmeiße auch nix weg, nur weil es nicht mehr optimal ist. Ich kaufe was ich noch nicht habe, was ich voraussichtlich auch tatsächlich brauchen kann, brauche es auf, und kaufe dann ggf. neu. Für mich ist das die richtige Herangehensweise. Eine mit der ich mich auch vom zehnten, roten Lippenstift, der sich nur in einer leisen Nuancen von den anderen unterscheidet, nicht beschwert fühle, und auch nicht von der zehnten sauteueren Handtasche, die ich so wenig “gebraucht” hab, wie die neun vor ihr. Seinen Bestand im Auge zu haben und Dinge echt “aufzubrauchen”, ist meiner Meinung nach ganz allgemein eine ziemlich effektive Weise ein Konsumparadies, und keinen Konsumterror zu empfinden.

Das ist schlichtweg eine positive Umdeutung der Verbindung von Luxus und Nachhaltigkeit – ja, Genuß, Qualität, und zwar als Möglichkeit und Freude und nicht als Frustshopping. Und tatsächlich auch bedacht. So handhabe ich das auch, und ich habe immer noch eine Wunschliste, die relativ konstant aus Dinge, die notwendig sind und Dingen, die absoluter Luxus sind, besteht.

Bei jeder Anschaffung spult mein Hirn das Programm ab namens Lebenszyklus (LCA wer es kennt) und ich kaufe Öko-Tampons, ich kaufe den Augenbrauenstift, der teurer ist, aber weniger Müll produziert, und arbeite mit einer Goldschmiedin zusammen, die weiß wo ihre Steine und ihre Edelmetalle herkommen und darauf schon immer Wert gelegt hat.

Nachhaltigkeit ist an sich kein Luxus mehr, sondern eine Notwendigkeit, doch warum soll es nicht ein normativer Aspekt von Luxus sein? Es ist definitiv eine Kernkomponente und der Mensch, ja der braucht Luxus. Schmuck gab es schon immer. Schnellen Scheiss konsumieren brauchen wir nicht mehr, und wollen wir auch nicht mehr. Jeder muss seinen Wertemaßstab finden und leben, und ich sehe mittlerweile, dass wir nicht mehr auf Greenwashing reinfallen, sondern tatsächlich viel aktiver Dinge hinterfragen und einfach auch die Möglichkeit haben, uns besser zu informieren. Als Konsument:in sind wir tatsächlich in der Lage, Dinge zu beeinflussen – weil das Konsumverhalten die Industrie bestimmt und die nun mal der größte Emissionsverursacher ist. Somit sind wir leider indirekt zuständig für die bösen Dinge wie Kinderarbeit und verseuchte Gewässer weltweit.

Letzten Endes befinden wir uns in einem System, das dazu verurteilt ist zu scheitern, alles nur eine Frage der Zeit. Es wird keine technologische Neuerung und Rettung geben, wir werden nicht den Mars besiedeln, und Elon Musk wird uns alle nicht retten, es tut mir leid. Eine Kehrtwendung dauert lange und ist träge, doch sie findet statt, und hat entsprechend reichlich Gegenwind. Und ja, auch die Elite und Suffizienz-Anhänger:innen konsumieren, ziehen Kleidung an und brauchen einen gewissen Luxus, ob es ein Restaurantbesuch ist oder ein Technik-Gadget.

Und weil es eine erhitzte Diskussion über Luxus gab: Essen ist kein Luxus. Trüffeln, ja. Kleidung ist kein Luxus. Kaschmir, ja. Ein Handy ist kein Luxus. Das neueste, teuerste iDoof ja. Kunst ist kein Luxus. Kunst besitzen, ja. Kultur ist kein Luxus. Warmes Wasser ist ein Luxus, Trinkwasser nicht.
Luxus ist nicht diskutierbar, nur weil es woanders kein Trinkwasser gibt oder weil man Millionär:in ist. Skalierbar ist es schon.

Nachhaltigkeit ist als Begriff aufgeladen und somit teuer, denkt man häufig, allerdings stimmt es einfach nicht mehr. Optimierte Wertschöpfungsketten und weniger Gedöns drumrum (Marketing, Firmenwagen, Prestige-Immobilien) ermöglichen eine gute Marge für Unternehmer:innen und gute Preise für Kund:innen. Transparenz ist auch vielen ein Anliegen. Und mittlerweile ist der Wunsch, gut zu leben in das Ethos solcher Betriebe eingegangen, und das hat für die wenigsten etwas mit dem Besitz eines Privat-Jets zu tun.

Die Verbindung von Luxus und Nachhaltigkeit als zwei scheinbar widersprüchliche Normen ist offensichtlich.

Luxus ohne Nachhaltigkeit wird es nicht mehr geben. Und Nachhaltigkeit ermöglicht überhaupt Luxus.