Was ziehe ich bei dreißig Grad an?
Das Tolle an “was ziehe ich an” Tipps ist ja, dass es zwar immer Bekleidungscodes gibt, aber diese nirgends stehen oder nicht ausgesprochen werden, es sei denn es gibt tatsächlich Berufsbekleidung. Natürlich nehme ich hier die Hipster und Start-Up Menschen raus, deren Bekleidungscodes passen sich ohnehin an den jeweiligen Instagram-Trends an, möchte man mutmaßen, und zur “familiären Atmosphäre mit Kickertisch und Obstkorb” gehört natürlich das persönliche Outfit dazu. Die momentane Uniform besteht aus Sneaker, Hose, Crop-Top oder T-Shirt, knöchelfrei oder weiße, hochgezogene Socken.
Was macht der Banker, der tatsächlich in Pinguin-Tracht, also Anzug, Krawatte und geschlossen Schuhe, vorturnen muss? Viel Geld ausgeben für einen leichten Anzug aus bester Schurwolle, weißes Hemd und ultrafeine Socken in rahmengenähten Schuhen.
Für die Damen wird es einfacher, wobei geschlossene Schuhe zum Teil immer noch Standard sind – dafür mit Kleid oder noch besser: Weite Hosen und kurze, weite Oberteile. Unter den weiten Hosen lassen sich Ballerinas besser verbergen, ist häufig die unausgesprochene Ansage Stöckelschuhe zu tragen. Sling-pumps sind auch schön, brauchen aber Strumpfhosen.
Normale Menschen können anziehen, was sie wollen, und das kann durchaus zum Problem werden.
Ein Polohemd ist der einzige Ersatz für kurzärmelige Hemden, sollte passen (lang genug, nicht zu eng) und in die Hose gesteckt werden. Ein Polohemd zum wechseln mitnehmen. Lange Hose und feine Socken, Loafers oder Bootsschuhe, bestens. Socken übrigens entweder zur Hose ODER zum Schuh farblich abstimmen. Lustige und kontrastierende Socken sind mittlerweile kein Statement mehr, also kann man es auch lassen.
Turnschuhe sind mein persönliches No-Go, insofern lasse ich die aus. Sandalen mit Socken sind übrigens kein modischer Selbstmord, Kindergarten und Grundschule machen es vor LOL und ehrlich? Immer noch besser als ungepflegte Füße zur Schau zu stellen.
Endlich haben Frauen es etwas leichter: Sandalen und Kleid oder Hose und Top. Die Fallstricke hier sind un/bedeckte Schultern und dekolletierte Oberteile. In einem konservativen Umfeld darf der Ausschnitt nur bis zur Höhe der Achseln gehen, und Knielänge muss gewahrt werden. Im zweifel ist es ohnehin angenehmer, mit mehr Stoff zu spielen.
Was sehr ungeil ist: Kommentare. Und die kommen immer. Hat es was mit der Kleidung zu tun? Nein, es ist ein unbewußtes Machtgehabe. Man kann nur damit kontern, dass man eben kein Kommentar zum Körper oder Bekleidung möchte, und insbesondere weibliche, sog. vergiftete Kommentare erst recht neutral damit blocken. “Ich würde mich das nicht trauen” und “DU bist so aufgebretzelt, wo gehst Du hin” sind typische, übergriffige Dinge, auf die man hinweisen sollte, dass sie in einem professionellen Umfeld nichts zu suchen haben. Die angepisste Antwort “Man kann ja doch mal fragen” kann man gleich mitantizipieren: Atmen, Thema wechseln.
Die Barfußschuhbewegung kann bei so einem Wetter endlich Aufwind nehmen, denn Socken und Sandalen bleiben optisch herausfordernd. Das sind Barfußschuhe auch, allerdings hat sich das Design bei vielen Herstellern gebessert.
Im Sommer holen die Menschen auch endlich ihre Farben und Muster hervor, und so sieht man überall kleine Blümchen, geringelte Oberteile und gemusterte Hemden. Sollte man in entsprechenden Positionen tatsächlich meiden oder sparsam einsetzen. Die Marine-Nummer mit geringeltem Shirt, Bootsschuhen und Chinos ist so eine Sache: Gehört zu den Klassikern, gehört für Herren nicht ins Büro und gehört für Damen nur in einer eleganten Version ins Meeting.
Was trivial erscheint, ist etwas ganz anderes: Genug trinken, am besten eher lau, und ggf. zwischendurch umziehen. Ich verstehe nicht wie man durchgeschwitzt und stinkend einen ganzen Tag rumlaufen kann. Es ist kein Akt, sich ein frisches Hemd oder Shirt überzuziehen, oder? Das ist übrigens etwas, was eigentlich nur auf Männer zutrifft: Die kritisieren und beglotzen Frauenkörper, während sie selbst katastrophal rumlaufen. Warum? Aus Unsicherheit – das sollte jetzt nun nicht mehr notwendig sein. Mann kann auch gut aussehen, einfach nicht so faul sein!