Tabuthemen – darüber sollten Frauen bitte reden

…okay, nochmal. Ich mache das Fass wieder auf, zum wievielten mal eigentlich?

– Geld.

Sprich über Geld, dann bekommst Du es! Wer verdient wieviel wo und warum – nichts ist so gut gehütet wie das Einkommen. Wer wie wo wieviel vögelt, erfährt man in zehn Minuten, vom Gehalt hingegen spricht man nicht mal mit der besten Freundin. Leider dient diese Intransparenz einzig dem Arbeitgeber, der sich Hände reibend die nächste Gehaltserhöhung sparen kann.

– Macht.

Du willst was zu sagen haben. Geliebt werden war gestern – Verantwortung tragen, seine Kompetenzen einbringen, leiten: Das können Frauen. Nur – es ist ja nicht schick. Macht haben zu wollen ist irgendwie anrüchig, verdächtig, asozial, denn das Bild der Frau ist der der Mutter, Partnerin und Schwester, also bestenfalls gleichgestellt, eigentlich weiter unten, eine beschützenswerte Person, schwach. Frauen sind für den sozialen Kitt verantwortlich und verhalten sich dabei häufig untereinander wie Bestien (im Sinne von Tier). Wer deutlich kommuniziert, etwas zu wollen, muss es mit jedem Atemzug tun. Muss es in jedem Atemzug wollen. Ich habe nicht gesagt, dass es einfach ist. Sprich darüber, du wirst erstaunt feststellen, dass du nicht die Einzige bist.

– Wut.

Frauen streiten nicht, Frauen argumentieren. Frauen sagen gelassene, weise Dinge und sind stets höflich und ausgleichend. Das ist doch gequirlte Scheiße! (Sagte dies ein Mann, würde man verzückt ob der deutlichen Sprache grinsen – ein Frau ist geschmacklos und hysterisch). Also, auf den Tisch hauen? zumindest verbal sollte das möglich sein. Es ist auch nötig. Wenn jede Besprechung wie ein Kaffeekränzchen ist, ist das Ergebnis auch nur aufgeweichter Kuchen. EDIT: Ich rede nicht vom herumbrüllen, aber durchaus davon, seine “Verstimmung” offen zu zeigen.

Was mich aber zunehmend nervt, nun auch in Umfeld der Mütter geraten, ist das Schema, in das man hineinpassen soll. Mutter, die arbeitet UND promoviert? Das geht nicht! Frau, die Lippenstift trägt UND was vernünftiges sagt? Das geht nicht! Mutter, die NICHT alles selbsgebastelt und gebacken hat? PFUI! Mutter, die ihr Kind “parkt”? Bla!
Ich laufe selbst mit Schemata durch die Welt, freue mich jedoch, wenn diese gesprengt werden. Wir brauchen unsere Schubladen, um Komplexität gerecht zu werden, keine Frage. In welcher Schublade haben wir uns dabei selbst gesteckt?
Es fängt bei einem selbst an – je fester man sich in ein Schema gepresst hat (sehr beliebt: Das Opfer, gerne der Umstände…), desto schwieriger wird es, sich selbst daraus zu befreien. Erwarten kann man vom Umfeld übrigens nichts, höchstens Gegenwind.

Was und wer wärst Du gerne? – Sobald du hier etwas anderes sagst als: ICH, solltest du das aufschreiben und durchgehen, ob dir die Eigenschaften, die du meinst nicht zu haben, gar nicht fehlen, sondern einfach von dir selbst nicht zugetraut werden. Der “du stehst dir selbst im Weg” Spruch ist fatalerweise sehr häufig richtig, auch wenn es viele Menschen gibt, denen noch ein paar Arschlöcher aus dem Umfeld im Weg stehen. Anfangen muss man jedoch bei sich selbst.
Der Rest ist Organisation und kühle Analyse: Was will ich und wie komme ich dahin?

Vielleicht weil ich begriffen habe, dass ich mir selbst im Weg stehe – ich fordere nix, obwohl ich will, weil ich denke es stünde mir nicht zu; ich “brülle” nicht, weil ich denke es ist keine gute Kinderstube, aber wer mag das beurteilen?!, ich habe Angst zu wollen, weil ich scheitern könnte.
Der größte Teil, nein, alles davon ist Erziehung und Kultur.
Es ist “gemachtes”, es ist nicht biologisch bedingt oder sonst etwas.
Sich selbst umzuerziehen ist schwierig, gar unmöglich, es braucht einen Spiegel, der einem vorgehalten wird, meist im Form eines Coachings oder einfach einer guten FreundIn oder MentorIn.

In Kategorien und Klischees denken, das ist unsere Welt. Ich bin nicht sicher, inwiefern ich mich das rausgezogen habe, aber ich versuche es immer wieder, auch meinem eigenen Welt-Bild nicht zu entsprechen. Den Spiegel halte ich mir vor, weil es mich langweilen würde, den einfachen Weg zu gehen. Ich könnte es so bequem haben! Mein Leben ist perfekt, ich brauche nicht arbeiten, ich habe ein Traummann und Traumkind, könnte meine Zeit mit schicken Dingen verbringen, und endlich perfekt lackierte Nägel haben.
So ist der Mensch aber nicht. Und die Frauen, die in diese Falle tappen, wachen irgendwann aus ihrem Bastel-Schicki-Mami-Wahn auf und fragen sich, was aus ihren Träumen geworden ist. An die sie sich vielleicht gar nicht mehr erinnern, weil sie sie in ihrem Wattebausch-Leben mit den vielen selbstgestellten Hindernissen, die wohl geplant sind, ihre Ausreden parat hielten, sich selbst erfolgreich kuriert haben, etwas zu wollen, was über “glücklich sein” hinausgeht.

Glücklich und in Harmonie. Das reicht nicht, und das ist nicht der Grund, warum der Mensch heute hier ist. Schätze dich glücklich, dass du Glück und Harmonie hast und kennst, aber gib dich nicht damit zufrieden. Und sag es!

EDIT: Gefährliche Frauen…
http://www.wmagazine.com/culture/2015/03/dangerous-women-femme-fatales/

Boy’s Club – Dixx only

Eigentlich wollte ich den ersten Beitrag des Jahres mit etwas wesentlich harmloseren bestücken, nämlich Fenchel und Karotten, aber da gibt es etwas, was mir schon sehr, sehr lange auf der Seele liegt.

Wie macht frau eigentlich Karriere? Warum macht frau keine Karriere? Wieso heißt es gläserne Decke? Was ist der Boy’s Club und stimmt es, dass Frauen in Wirklichkeit nicht wollen?

Dazu möchte ich nicht “ranten”, wie es so schön auf hipsterdeutsch heißt, sondern tatsächlich mal etwas ausgewogenerEdit: ausgewogen geht nicht, merke ich gerade… || diskutieren. Ich sage was, und dann kommt ihr.

Fangen wir mit einem grundsätzlichen Gedankenstoß in einer anderen Richtung statt, nämlich die Debatte über den Mangel an qualifizierten Fachkräften. Damit ist jede und jeder mit einer Berufsausbildung bis hin zu einem Studium und gegebenenfalls noch andere Zusatzqualifikationen gemeint. Wo sind sie, diese Menschen? Jedenfalls nicht in der Führungsriege. Die etablierten Führungskräfte sind entweder bereits schon eigene Nachzüchtung (Elitenbildung) und durch den Boy’s Club bereits automatisch dabei oder sie haben schlichtweg nicht mal Abitur, sondern haben sich emsig hochgearbeitet in zwanzig bis dreißig Jahren.
Und diese Leute werden unter keinen Umständen jemanden den Platz freiräumen, der ihnen gefährlich werden kann: Einer hochqualifizierten, ehrgeizigen und gut vernetzten Frau. Natürlich haben auch Frauen ihre Netzwerke und sie arbeiten auch miteinander – wenn sie denn die sogenannte gläserne Decke überwunden haben. Diese ist übrigens ein überkommener Begriff, der impliziert, dass da nix zu machen sei, und vor allem das in der direkten Bedeutung auch Transparenz beziehungsweise Durchsicht bedeutet. Nein, nein.

Also, wo sind die Fachkräfte? Sie arbeiten Teilzeit-/Vollzeit, was aber bei 60 Stunden-im-Meetings-sitzen schlichtweg nicht sichtbar wird. Sie holen Kinder ab, kochen, kaufen ein… genauer teilen sie sich mit dem Partner, mit der Kinderbetreuung, mit dem sozialen Umfeld und dem Alltag allgemein die 24 Stunden, die der Tag hat. Warum trifft dieses Bild überwiegend auf Frauen, und nicht auf Männer? Und warum sollte dieses Bild auf den oder die treffen, die sich das aussuchen kann? Sagen wir mal 50-50, ob Männlein oder Weiblein.

1. Frauen wollen nicht.
Ich habe es häufig gehört, und das auch von Frauen, dass sie gar keinen Bock auf Karriere haben. Lieber die Kinder sehen, lieber Freizeit haben, statt einen schicken Titel an der Tür zu haben und dafür eben die allmächtige, daueranwesende und -arbeitende Maschine zu geben. Der Ehrgeiz fehlt schlicht, oder die Wahl ist pragmatisch, weil frau kein Bock auf die ewigen Konkurrenzkämpfe hat. Frauen sind schlichtweg vernünftig. Eigentlich ein gutes Bild – und eines, das entmündigt.
Frauen wollen bestimmte Rollen also nicht – genauer wird diese nicht beschrieben, und es stimmt eben auch nicht. Vielleicht sind die Antriebsgründe andere, vielleicht ist es nicht Macht, sondern Veränderung; jemanden aufgrund seines Geschlechts einen potentiellen Willen abzusprechen aufgrund einzelner Fälle halte ich doch für sehr… männlich. Quatsch! …es ist einfach dumm.

2. You can’t have it all
Das ist richtig. Man kann nicht Vollzeitmutter sein und 40 Stunden arbeiten, oder 60, das ist aber auch kein Grund. Man kann nicht alles gleichzeitig haben, das ist klar. Wer das behauptet, lügt. Und die nullkommanullkeks Prozent reicher Frauen, die Chefin sind und ihre Zeit frei einteilen, bei optimaler und flexibler Kinderbetreuung, nun ja, die bestücken gerne die Brigitte Seiten, sind aber nicht die Regel.
Wenn man nicht alles haben, wenn Mann auch nichts hat, wer hat dann was wovon? Man kann nicht fixiert sein auf Karriere bis 30 oder 40 inklusive Familie und Haus und Hof, und dafür keine Abstriche machen. Allerdings machen die Abstriche ja auch nur die, die aus diesem Trott rausgehen – und dann per gesetzliche Regelung NICHT wieder mitspielen dürfen. Wer Teilzeit arbeitet, darf nicht wieder zurück auf seine volle Stelle.
Man kann nicht alles haben – oder doch? Unterstützt durch gute Kinderbetreuung auch jenseits von Kindergarten, unterstützt von flexiblen Arbeitsplätzen, unterstützt von Ergebnisorientierung statt Anwesenheitspflicht. Klar, das ist eine Ebene, die einen bestimmten Berufsstand betrifft. Aber da es um die Quote in Führungsetagen geht, die so heiß diskutiert wird, reden wir eben über mittlere Managementebene und höher.

3. Gibt es den Boy’s Club?
Ja. Ich habe es gesehen und gehört. Darauf müsst ihr Euch verlassen.

Bist du erstmal dabei, ist alles gut, du wirst akzeptiert – nur… HIER KOMMSTE NET REIN!!


4. Was ist die gläserne Decke?

Alte, renitente Männer. Junge, total gleichberechtigt und so, in Wirklichkeit ebenso renitente Männer. Kennt ihr das – man sitzt in einer Runde und die Männer unterhalten sich über dein Kopf hinweg, machen Witze, dann bringt frau auch einen lustigen Beitrag und es wird einfach überhört. Oder irritiert geguckt. Das Gespräch findet stets über die Köpfe der weiblichen Anwesenden hinweg. Das habe ich so häufig schon erlebt, dass ich müde geworden bin, mich da einzuklinken. Nicht mal einen blöden Spruch mag ich da mehr bringen.
Ich weiß nicht was diese gläserne Decke ist, sie deutet ein wenig auf Chefetage im Blickfeld, aber das ist wirklich die reinste Lüge. Die Tür ist aus Holz oder was auch immer und du bleibst draußen. Punkt.

Und nun?
Ich weiß, dass diese Dinge kein Neuigkeitswert haben…
Ich weiß, dass wir uns ständig darüber aufregen, darüber selbst ungerecht und sexistisch werden, dass so viel schief läuft und unter dem Deckmantel der Gleichbehandlung doch nur Ungerechtigkeit und Vetternwirtschaft steckt (es heißt ja auch nicht Cousinenwirtschaft, gel).

Die Frau, die nur wegen der Quote zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird, aber den Job niemals bekommen wird.
Das bin ich und das bist du.
Und ja, früher dachte ich auch, es stimmt nicht, ich bin ja schließlich besser qualifiziert und überhaupt. Sorry, genau wie die verbrämten oder direkten unerlaubten Fragen im Vorstellungsgespräch – alles eine große Lüge.

Jungs, wenn ihr den Club aufmacht, dürft ihr vielleicht auch was vom geilen Leben einer Frau abhaben. Schon mal überlegt?

Lesbar

Ein Interview, dem ich einfach mal zustimme:

http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/angelika-wetzstein-top-managerinnen-und-ihre-erfolgsgeschichten-a-1000722.html

Übrigens erlebe ich in letzter Zeit ständig wie das Thema Quote als Frauen-Problem thematisiert wird. Dabei fallen immer folgende Sätze:

Es gibt gar keine qualifizierten Frauen.

Ach, die wollen einfach nicht in diese Mühle rein.

Wir können nix und wenn, wollen wir nicht. Aha.

Hat sich vielleicht schon rumgesprochen, dass gewisse Dinge nicht mehr rein Frauenthemen sind? Zum Beispiel eine gute Kinderbetreuung, so dass auch der Papa das Kind mal sieht? Viellicht sogar am Arbeitsplatz (staatlich gefördert anyway)?
Dass nur ein fettes Gehalt AUCH FÜR FRAUEN (Mütter womöglich!) gewisse Dinge wie Flexibilität kauft?
Seit wann muss frau immer nur bescheiden sein und schön die Fresse halten, Hauptsache dabei um ein Minimum der Quote zu erfüllen?
Warum wird “Menschlichkeit” und “Smalltalk” der Frau als Schwäche und “Weichheit” angelastet, bei einem Mann aber hochgradig gelobt? Beispielsweise stellen sich männliche Redner hin und sagen, als Vater und Partner würden sie BLBALBLA (SPD Politiker zuletzt). Würde eine Konzernchefin das tun, würde sie vor lauter gerunzelter Stirne ihr eigenes Wort nicht mehr hören.

Es heißt ja, wir sollen selbst auch aus diesen Rollen ausbrechen und uns keine alten Zuschreibungen ans Bein binden. Es ist schwer – Frauen zum Reden aufmuntern, zum Auftreten und zum nicht-graues-Mäuslein sein.
Was ich dabei allerdings erlebe: Netzwerken zwischen Frauen ja, aber dabei schön distanziert. Was allerdings viel häufiger vorkommt ist ein unglaubliches Gebashe und Gezicke, ein Betragen dass ich mit Hinterfotzigkeit nur unzureichend beschreibe.
Neulich schrieb eine Leserin, es sei schade, wenn zwei Frauen aufeinander treffen von Gezicke auszugehen. Das ist korrekt und das muss man gelegentlich mit einem Augenzwinkern sehen. Fakt ist, dass Konkurrenz zwischen Frauen sich auf viel mehr Ebenen abspielt, vielleicht weil (subjektiver Eindruck) viele etwas empathischer sind als Kerle, und oder aber auch weil sie viel mehr Rollen ausfüllen (müssen).

Also: Am Ende des Tages PRO QUOTE, aber nicht weil Frauen die besseren Menschen sind, sondern weil ich es richtig finde, dass das Geschlecht von Arschlöchern und inkompetenten Führungskräften, wie sie im Alltag so häufig vorzufinden sind, keine Rolle spielen sollte. Hehe!

Das erste Mal: Wissenschaftlerin

Been there, done that.

Endlich habe ich meinen ersten wissenschaftlichen Aufsatz geschrieben und auch auf einer internationalen Konferenz vorgestellt.

Der Stresspegel war unsäglich: Als die Zusage kam, nach einer kurzen Skizze (abstract) auch einen kompletten Aufsatz schreiben “zu dürfen”, war die Deadline gerade mal ein paar Wochen. Berufstätig und mit kleinem Kind, zwischendurch “alleinerziehend” wenn der Ehemann unterwegs ist – hurra! Abends und am Wochenende schrieb ich mühselig Satz für Satz zusammen.

Die Präsentation wurde am Abend vorher fertiggestellt, ist ja klar. Ich kann mich kaum an die letzten Wochen erinnern, ich bin abends einfach umgefallen.

Und dann hinfahren, kurz eintauchen, Vortrag halten gegen die Zeit (20 Minuten Zeit), Diskussion, fertig. Tief durchatmen.

Am Ende des Tages war ich so müde, ich hätte weinen können. Aber auch erleichtert.
Eine tolle Erfahrung, zumal nur solche Auftritte dazu berechtigen, in dem Elfenbeinturm der Wissenschaft reingehen zu dürfen. Ich musste mir bestätigen lassen, dass ich ja nun auch eine Wissenschaftlerin sei, und überhaupt, der erste Vortrag gleich in so einem Rahmen, toll! Inhaltlich auch super, und überhaupt.

…und ich so? Ich fühle mich wie eine Betrügerin. Nicht nur blieb ich weit unter meinen Möglichkeiten, stets denke ich dass meine Inhalte total trivial sind. Und überhaupt sei das alles “gar nicht so was richtiges”.
Das, habe ich neulich erst irgendwo gelesen, sei mal wieder ein typisches Frauenproblem. Na super.
Doch was passiert, wenn Frau rumläuft und erzählt wie geil sie ist? Sie wird niedergemacht, belächelt, oder einfach ausgeschnitten. Unsichtbar gemacht.

Deshalb ist es wirklich, wirklich wichtig, dass wir etwas tun und: Sichtbar sind*.

Also, hier bin ich, ich bin Bloggerin, und ich bin Wissenschaftlerin. Jetzt aber richtig!

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*Es gibt Bilder von der Konferenz, diese sind bereits online. Es sind überall fast nur Männer drauf, dabei waren eindeutig reichlich Frauen dabei. Typisch. Typisch?!