Das Machtvakuum – warum der Fall Ford gegen Kavanaugh wichtig ist
Eigentlich wollte ich mich nicht zu Chanel&Co äußern, sondern meinem Unbehagen nach dem Lesen des Aufsatzes von Hannah Arendt irgendwie Stimme verleihen. Die Freiheit frei zu sein ist leicht zu lesen und erläutert wie Revolutionen entstehen, und wie ein anschließender Machtvakuum dann besetzt wird. Sie schreibt, an die Macht zu kommen sei nicht die Schwierigkeit, sondern diese Macht zu erhalten.
Revolutionen passieren nicht aus dem Nichts, das Regime oder Konzept ist bereits ausgehöhlt und marode. Innerhalb solcher Grenzen entsteht dann ein Machtvakuum, das besetzt werden muss – wer da forsch das Vakuum besetzt, ist an der Macht.
Ich bitte darum, das Buch selbst zu lesen, das Unbehagen zu teilen und die Aktualität zu spüren. Zwischendurch dachte ich, es kommt jetzt der Verweis auf Trump, wie in einem jüngst gelesenen Werk von Kate Mane, Down Girl:The Logic of Misogyny (auch sehr lesenswert!).
Hannah Arendt ist allerdings 1975 verstorben.
Wie alle anderen auch, verfolge ich den politischen Zusammenbruch oder die Nazifizierung der Vereingten Staaten schon etwas länger, sowohl in den amerikanischen Medien als auch über Twitter mit dem amerikanischem Mittelstand.
Nachdem dieses Jahr das Augenmerk auf die Frauen gelenkt wurde, und was es heißt, eine Frau in der heutigen Gesellschaft zu sein (wehe dazu noch schwarz oder lesbisch, oder sonst wie nicht-privilegiert und nicht-weiß), haben sich die Fälle vermehrt, in denen Frauen anfangen, sich zu wehren. Es werden alte Geschichten ausgegraben, mag man meinen, in Wirklichkeit sind jetzt die Bedingungen dafür entstanden, die Not ist größer als die Angst, und das Bewußtsein und das Verständnis sind für alle diese widerlichen Taten da. Geschuldet dem Alter der Frauen; geschuldet dem Erkennen, dass unser Alltag so getränkt ist von Übergriffen, das es für uns Frauen natürlich ist. Man muss reflektiert genug sein, um den Übergriff zu begreifen, aber sich dann auch noch zu wehren? Das ist sehr schwer.
Und genau das passiert mit den Weinsteins und den Kavanaughs dieser (amerikanischen) Welt: Im Fokus der Medien, lassen sie das Machtvakuum sichtbar werden.
Natürlich wurde er frei gesprochen, das wusste ich gestern Abend als ich um zehn ins Bett ging. Ich war heute morgen nicht überrascht, nicht traurig, nicht entsetzt. Es ist was anderes passiert, was der Anklägerin Ford als Person nicht reicht, aber eine historische Bedeutung haben könnte.
Und was sicher der Grund ist, warum sie diesen Prozeß durchgezogen hat. Jedem wird klar gewesen sein, dass diese Ansammlung von weißen, mittelalten korrupten Männern mächtiger sein wird. For once.
Im Fernsehen wurde nicht gezeigt, dass eine Gruppe Frauen im stillen Protest bei der Urteilsverkündung aufgestanden ist.
A group of House Democratic women stand in silent protest of the Judiciary vote on Kavanaugh before leaving the room while police watch. pic.twitter.com/D69KlXI92Y
— Alex Bolton (@alexanderbolton) 28. September 2018
Das Machtvakuum tut sich auf, wenn ein System marode ist und durch eine Revolution endgültig zerstört wird.
Wer in diesem Machtvakuum eintritt…
Wir sind dran. Die Konsequenz für die nächsten Jahre muss es sein, dieses System weiter auszuhöhlen. Es wird vielleicht erst geschehen, wenn Frauen in Notwehr Männer erschießen, ein Wandel wird sicherlich nicht durch das System selbst passieren. Das müssen die Frauen dort noch erkennen.
Wir in Deutschland hingegen, wir haben dieses Problem zwar besser in Griff, aber nur vermeintlich, denn die Nazis haben sich hier auch schon längst aufgestellt und werden die Frauen zuerst holen, siehe Amerika. Und ja, es wird eine Frau mit dabei sein, die das “als Ausnhame” legitimiert. Und es wird Frauen geben, die sich auf die Seite der Männer stellen werden, wie in Amerika (dieser Effekt nennt sich himpathy).
Wer in diesem Machtvakuum eintritt…