Instagram, Influencer und Kinderarbeit
Das ist der zweite kritische Post zu Social Media, ganz ungewohnt von mir, da ich eigentlich ein großer Fan der sozialen Medien bin. Aber nichts kommt ohne Schattenseiten.
Lustigerweise war es ein Kinderbuch, das kritisch, aber auch sehr empathisch eine Familien-Influencerin als Nebendarstellerin hatte und mich ein wenig auf das Thema aufmerksam machte. Alleinerziehend, musste sie ihre Kinder so “authentisch” wie möglich bei allerlei Tätigkeiten inszenieren, um die Familie zu finanzieren. So weit, so kapitalismuskritisch. Die Kinder, schon etwas älter, waren gelangweilt und hungrig beim Posing für die Picknick Bilder. Aber immerhin im Urlaub, könnte man sagen.
Die Realität ist schon manchmal anders und krasser: Wohnräume, in denen überall Ringlichter stehen, manche Ecken ausgeblendet werden, dennoch viel zu viel schonungslos vor die Linse gehalten wird. Die zugegebenermaßen süßen Kinder werden gewickelt, sind vielleicht gerade krank und fiebrig, feiern Geburtstag, ein ganzer Alltag wird dem Publikum ausgebreitet, mit allen Details und gewollten und ungewollten Informationen. Big Brother bringt wahnsinnig viel Geld! Auch ich habe den Fehler gemacht und ein paar Mal Bildern von meinen Kindern verwendet. Und das kommt gut an, in der Instagram Statistik sind das stets die besten Beiträge gewesen. Zwar sind Follower*innen und Leser*innen in der großen Mehrzahl Frauen, aber wie viele Pädophile ebenfalls Bilder und Daten ziehen können, darüber haben wir nun mal keine Vorstellung und auch keine Statistik. Man kann mittlerweile mit Kindergesichtern sexuelle Gewalt aka durch KI entstehen lassen – wir bewegen uns rasant auf eine große Wand aus Scheiße zu.
Problematischer ist dieses Miniatur-Influencer-Dasein in ganz anderer Hinsicht: Man könnte zwei Dinge sagen, das eine höchstgradig verwerflich, aber leider juristisch nicht interessant, weil Kinder in Deutschland keine Rechte haben(sic!) und das andere, naja egal, aber fiskalisch betrachtet etwas, wofür man in den Knast wandert hierzulande: Kinderarbeit wäre das Erste und Steuerbetrug als letzteres…
Kinderarbeit ist in Deutschland per se erlaubt, aber streng geregelt und überwacht, zum Beispiel wenn Kinder Filme drehen oder Werbung machen. Das ist kein Spaß für Produzentinnen, wie mir eine erzählte, aber das sei so, und das ist ja nun klar. ABER: Wenn Deine Eltern Dich 24/7 mit der Kamera begleiten und deinen nackten Arsch zeigen, interessiert das keine Sau. Das Geld fließt in Strömen, genau wie die Likes, und davon profitieren alle. Alle? Alle, außer das Kind, das mittlerweile (gesichert laut Untersuchungen) psychisch geschädigt wird. Es gibt mittlerweile Klagen gegen die Eltern, von ihren eigenen Kindern, die so etwas nie wollten. Die Firmen profitieren natürlich ebenfalls. Also, wo kein Kläger, da keine Beklagten!
Bis sich Sara Flieder entschloss, durchaus eine Klage in den Angriff zu nehmen und auch zum Thema aufzuklären. Mir war die Tragweite solcher Dinge gar nicht bewusst, als ich zufällig auf Instagram auf ihre Tätigkeit aufmerksam geworden bin. Mittlerweile in Gespräch mit der Politik und mithilfe von Jurist*innen, ist sie derzeit die Speerspitze einer Bewegung, die sehr interessante Auswirkungen haben könnte. Zum einen der Schutz der Kinder, zum anderen eine Stärkung der Kinderrechte und prospektiv damit Arbeit in Richtung Kinderrechte ins Grundgesetz etc.
Wenn der Stein erst rollt, dann rollt er… ihr könnt gerne ihrer Kampagne hier folgen:
https://weact.campact.de/s/kinderrechte-auf-instagram-wahren-kampagnenseite
Das Problem mit der Finanzamt? Bei der Geburt wird ja schon abgefragt, ob das Kind Einkünfte hat. Unsereiner mag da spöttisch die Stirn runzeln, aber die Erbengeneration wird da schon seine eine oder andere Sache angeben müssen, wenn es nicht eh durch irgendwelche Beteiligungsgesellschaften etc. “geschützt” ist. Denn auch ein Kind, das Geld verdient, wird besteuert. Natürlich kassieren die Eltern die Kohle, die sie ja auch für das Kind ausgeben. Oder? ODER?? Hier und da sind zu viele Luxus-Gegenstände im Spiel, um zu sagen, es kommt dem Kind zu Gute, und vielleicht kommt dem Kind mehr zu Gute, nicht vor die Kamera gezerrt zu werden, nicht nach Dubai zu fliegen (auch krank, macht nix!) und nicht permanent die Intimsphäre online ausgebreitet zu bekommen. Das Kind müsste also tatsächlich eigene Einkünfte haben, eigens besteuert, über das sogar die eigenen Eltern nicht verfügen dürften; letzteres, schätze ich, ist komplett ungeregelt eh. Kinder sind von ihren Eltern abhängig, und nicht alle Eltern sind nett, muss ich sagen.
Könnte also einem großen Zweig der Social Media Industrie das Wasser abgegraben werden? Nö. Aber es könnte ein Anfang sein. Natürlich wären alle großen Konzerne in der Lage, bestimmte Inhalte zu filtern oder zu verbieten, aber es geht um unvorstellbar viel Geld, denn es hängen nicht nur die Eltern als potentielle Kund*innend ran, sondern “the next generation”, das jetzt schon auf einen bestimmten Konsum getrimmt wird. UND was es konsumieren wollen wird, wird es ein Samsung Handy haben wollen oder ein iDoof, welche Vasen, was für ein Urlaub, was für ein Auto und was für eine Immobilie. Die Daten, die diese Kinderarbeit generiert, werden schon lange für das Targeting in der Werbung eingesetzt, und was soll man sagen, selbst wir Profis wissen, dass es funktioniert.
Man kann tatsächlich Familien- und Kinder-Content mit Respekt und ohne Kinder machen, das zeigen einige Influencer*innen. Mir ist die komplette Szene suspekt und ich folge niemanden, bekomme aber trotzdem solchen Content regelmäßig eingespielt. Das Grauen hat viele Gesichter, alle wohlwollend, aber alle unkritisch. Es gab auf Spiegel Online eine wohn unkritische Reportage über eine Frau, die sehr provokativ das Thema “Mutterschaft nervt aka regretting motherhood” umsetzt, um sich in einer Zweitwohnung davon auszuruhen (wo ruhen sich eigentlich die drei Kinder aus?), so daß online doch einige Sturm gelaufen sind, weshalb ich das überhaupt mitbekommen habe.
Und wenn es um Kinderrechte geht, müssen wir leider zugeben, dass es sie nicht wirklich gibt. Und das beschreibt das Problem auf der Meta-Ebene ganz gut.