Mein Leben, mein Leben

Wißt Ihr, was mich derzeit tierisch nervt? Beziehungsweise was seitdem Elterntier-Dasein nicht nur mir, sondern auch dem Ehemann passiert? Wir sind komplett fremdbestimmt.

Früher hatte ich eigene Termine im Kalender – heute sind die meisten Termine von anderen. Fährt Ehemann weg, ist Freundin aus dem Ausland da, hat die Krippe zu, ist XY im Urlaub, YZ heiratet: Meine Termine. Früher entschied ich, was in meiner Freizeit war – heute fühlt es sich an, als ob alles zu mir kommt und ich keine andere Wahl habe.
Das ist wohl der Normalfall und es ist auch eine Frage der Wahrnehmung. Es ist eben Alltag, und da wir jetzt zu dritt sind, ist dieser etwas komplexer in der Organisation als vorher, wo man spontan was unternahm.

Es hat aber auch andere, sich langsam einschleichende Auswüchse. Mir wurde das erst bewusst, als ich mit ein paar anderen Müttern auf einer Party rumstand – ziemlich fertig (wir alle), ziemlich nachlässig gekleidet (ich nicht!), ungeschminkt, irgendwie… Wir sprachen über Haus (ich nicht, wir suchen eine Immobilie by the way!…) und Kinder und Männer und Gehälter und Ungleichheit (ja, ich war’s) und Sex und wieder Kinder. Dabei wurde mir klar, warum so viele hin- und hergerissen sind und zu nichts kommen: Weil sie für alle anderen alles machen.

Das ist die typische Frauenfalle, und sie schnappt zu: Das eigene Haus. Viel zu tun, und Garten, aber es macht ja Spaß. Kinder? Vollzeit – keine Arbeit, sondern eine Einstellung, die aber auch auslaugen kann. Arbeit? Muss oder will frau auch, haut auch rein, einmal der finanzielle Druck und natürlich ist es nie der Traumjob, der einem die Kohle einbringt, beziehungsweise ist auch der Traumjob nicht durchgehend immer Zucker. Frau kriegt dann alles organisiert – Das Leben der Kinder, den Alltag, bei der Arbeit sind das die wertvollsten Mitarbeiterinnen, die das gleiche Pensum schaffen wie die männlichen Vollzeit-Kollegen (aber die, die sind immer erreichbar).

Deren Leben? Ich hatte nicht genug Mumm zu fragen, ob sie ein eigenes Leben noch haben. Die eine wird höhnisch lachen und sagen – Wessen Leben?!

Dass es sich bei mir um ein Luxusproblem handelt, ist klar. Ich bestimme den Kurs, und das weiß ich mittlerweile. Sicher, das “alte” Leben und das “neue” Leben sind ein Widerspruch, den es noch zu vereinbaren oder einfach zu akzeptieren gilt, aber mein Leben – ist mein Leben.

Mein Leben beinhaltet sich um mich selbst zu kümmern, mir nach wie vor den ersten Platz einzuräumen (wenn sich auf dem Treppchen in Wahrheit doch mehrere drängen!), sei es denn dass man sich trotz Kleinkind seine geliebte weiße Bluse anzieht oder Lippenstift benutzt, dass man sich verabredet und weggeht und auch mit dem Kind shoppen, warum nicht? Dem Partner wieder Komplimente macht und vielleicht ein neues gemeinsames Hobby entdeckt (nicht: schlafen!) und sich nicht immer an andere orientiert. Ich, ich, ich – klingt so furchtbar egoistisch, aber die meisten und auch ich müssen es echt noch lernen. Ich bin die Gebende, ich bin die Nehmende, mein Leben, mein Leben. Am Ende ist frau nämlich immer allein.

Also, mein Plan für heute und jetzt: Mein neues Kleid anziehen (trotz Kleinkind, es lässt sich schließlich waschen!) und in die Stadt gehen und flanieren, weil es mir Spaß macht. Teddy findet das gar nicht so schlecht mittlerweile, es gibt ja schließlich was zu gucken.

Mein Leben, mein Leben – dass ich jetzt auch noch Mutter bin, ist nicht einfach, schließlich beinhaltet dieser Begriff wie kein andere den Impetus des Gebens. Ich bin jedoch nur solange eine gute Gebende, solange es mir nicht auffällt, dass ich es tue, solange es mich nicht auslaugt, auszehrt und solange ich einen grundsätzlichen Glücks-Boden unter meinen Füßen habe. Nicht kippelige Momente des Glücks, sondern eine feste Unterlage.

Was mich sehr, sehr nervt: Es geht so vielen so, und keiner redet drüber. In ausgelassenen Runden mit viel Alkohol, ja, da kommt das wahre Leben zum Vorschein. Dann werden die perfekten Hausmuttis zu kleinen unzufriedenen Gnomen, die sich darüber auslassen, dass sie in Wirklichkeit alleinerziehend sind; die Ökomuttis gestehen, dass die gelebte Gleichstellung für den Arsch ist, weil sie immer noch mehr putzen, und die abgeklärten Emanzen zu Weicheiern, denen der Mut fehlt, sich zum Gefühlsleben zu bekennen. Alles völlig normal.

Aber: Dein Leben, dein Leben. Leben leben, du weißt schon.

…ach ja, und nochmal: Das Leben mit Kind ist grandios. Das Leben ohne Kind ist grandios. Dein Leben, dein Leben. Ist grandios.

P.S. Aus aktuellem Anlass: Und dann gibt es Momente im Leben, wo so ein Kackkrebs* versucht, Dir das alles zu entreißen. Dein Leben, deine Klinik, deine Chemo, deine Ängste. Nein, nein -Dein Leben, nicht dein Krebs, kein netter Besuch, kein erwünschter, das soll es ja geben; das eigene Leben hat eine feste Unterlage, da wird der Kackkrebs schon noch auf die Fresse fallen. Punkt.

P.P.S. *oder irgendeinanderer Scheiß. Nein, mir geht es gut, aber ich begegne derzeit einigem *Kack in meinen Umfeld. Der kann sich mal verpissen und so.

Das erste Mal: Urlaub mit Kind

Ich werde etwas weiter ausholen…

Ich sitze also am Tisch in diesem durchaus ordentlichen, na, superguten Familienhotel! Lätzchen, Kinderstuhl, überall Kinder, und heute ist Teddy ein wenig angeschlagen und besteht darauf, seinen heiligen Hasen und den Schnuller mitzunehmen, die sonst als Einschlafhilfe dienen. Nach dem Essen geht es ein paar Schritte weiter ins Lümmelland, eine Indoor-Spielanlage mit allen Schikanen. Beim Geschirrabräumen schnacke ich kurz mit der Bedienung über die Unmengen, die der Junior vertilgt hat (recht manierlich, kaum etwas auf den Fußboden) und hole mir einen Weißwein statt meinem alkoholfreien Bier. Ich entspanne mich, exakt eine Woche nach Ankunft in diesem Ferienparadies.Neben mir auf der Sitzbank liegt ein roter Hase und darauf eine Schnullerkette.

Und ich weine. Weiterlesen…

Mütter reiten auf Einhörner durch’s Kita-Land – mein Leben als Working Mensch

Ich habe exakt 40 Minuten Freizeit seit – jetzt. Ich könnte mich eincremen oder mal meine Füße lackieren, oder vielleicht einfach mal in der Nase bohren und aus dem Fenster gucken. Schöne Vorstellung! Macht mich gerade nicht glücklich. Ich lese ständig Dinge und will ständig schreiben – das macht mich glücklicher. Also, hier habt Ihr meine Freizeit.

Ich habe explizit nicht working mum geschrieben. Wißt ihr warum? Mein Ehemann geht richtig auf den Zahnfleisch, aber den bemitleidet keiner. Den fragt keiner.
Überfordert? Ja, das hätte ich am liebsten die letzten Wochen einfach nur noch geschrien. Der Grund war einfach: Ich war krank. Das kommt in der Idylle von “working Mensch” leider nicht vor.

Jetzt bin ich wieder fit: Ich habe heute 14 Stunden am Stück (also am Stück ist natürlich… sagen wir fast) geschlafen. Ein schier unvorstellbares Luxus für die meisten Eltern. Unser Teddy schläft momentan wie ein Stein. Wir auch.

Mein Alltag: So früh es geht ins Büro, durchknallen, um 14:45 den Stift fallen lassen und das Kind abholen. Switch work off, switch SMILE on. Dann geht’s zur Freundin zu Besuch oder nach Hause. Ich muss nichts mehr erledigen außer ein wenig Abwasch und den Nachmittagssnack für den Sohn. (LUXUS!!!!!) Spielen, schmusen. Wenn es kein guter Tag ist, die 12 Kilogramm auf den Arm tragen, sich anschreien lassen und alles versuchen, den bösen Bauchweh, die bösen Zähne oder die böse Müdigkeit zu vertreiben. Das gehört dazu, und es ist anstrengend, wenn man partout nicht weiß, was das Kind hat. Es belastet einen ja auch. Weiß ich hingegen: Oh, Zähne! dann bin ich innerlich gewappnet.

Luxus ist es auch, dass ich dann zwei Tage nicht arbeite, oder nur wenn ich meine Stunden nicht voll bekommen habe (zum Beispiel weil ich alleinerziehend bin und das Kind erst in die Krippe bringe). Leider sind die zwei Tage nicht dafür da, die Beine hochzulegen – es soll an den Schreibtisch gehen. Wie oft habe ich das geschafft? Exakt NULL mal, in Zahlen: 0.
Ich musste zum Arzt, ich musste putzen, weil ich es nicht mehr ertrug, ich musste schlafen weil ich krank war, ich musste zum Friseur, ich musste einkaufen um den Ehemann doch ein wenig zu entlasten, oder oder oder.

Der andere working Mensch hat es nicht besser, und das fünf Tage die Woche: Er steht genauso früh auf, bringt das Kind in die Krippe inklusive Rundum-Betreuung namens Waschen und Frühstück machen. Dann ins Büro hetzen, immerhin eine Mittagspause haben, und dann den Stift fallen lassen um das Kind noch 30-45 Minuten zu sehen: Nämlich bei der Rundum-Betreuung bestehend aus Waschen und Ins-Bett bringen. Am Wochenende wird der Wocheneinkauf erledigt (dank Leihauto von Nachbarn…) und gerödelt. Dabei muss immer irgendwie Wäsche, Haushalt oder Aufräuming stattfinden, den der andere working Mensch hat es meist nicht vollständig geschafft. Luxus: Der Weg von der Arbeit nach Hause ist innerhalb derselben kleinen Stadt.

So – egal wie man es dreht und wendet, ob die Rolle vom Mann oder Frau übernommen wird: Es ist schon viel zu tun. Der Stress ist nicht so immens, die Aufgaben sind zu bewältigen – aber: Die Uhr tickt unerbittlich im Hintergrund. Ich habe noch 21 Minuten Freizeit. Ich muss eigentlich die Karten schreiben (schaffe ich seit zwei Wochen nicht…) und heute abend weiß ich, dass die Wäsche wartet. Anderthalb Stunden oder eine Freizeit mit Ehemann, dann geht’s ins Bett.

24/7.

Unser Luxus? Das unglaubliche Lachen dieses Kindes, das uns durch den Tag aufrecht hält.
Leider immer und überall das schlechte Gewissen: Boah, ist der Fußboden dreckig, Mist, schon wieder Freunde nicht angerufen (können die nicht einfach vorbei kommen? Warum sind wir sozial abgeschnitten?), es muss dies und das gemacht werden aber dann hat man keine Zeit für das Kind, was man eh sehr wenig sieht (und das sage ich, die ihn am meisten sieht!).

Mir fehlt sogar die Kraft, mal richtig auf die Kacke zu hauen. Denn ich werde immer wieder auf mein Glück hingewiesen. Meckern sollte ich bitte wann anders.

Nun ja… Wisst ihr aber was? ICH BIN UNZUFRIEDEN. Ich bin immer unzufrieden, sagt mein Ehemann milde lächelnd. Ich fühle mich an allen Fronten ungenügend: Im Job, weil ich gehen muss und wichtige Termine IMMER so stattfinden, dass ich sie nicht wahrnehmen kann (Chef sieht es entspannter als ich – ich scheitere am eigenen Anspruch…). Als Mutter, weil ich so wenig Zeit mit dem Teddy verbringe – und nebenbei immer was mache, selten einfach nur “da” bin. Als Wissenschaftlerin kann ich nur sagen: Wo sind meine Hirnzellen? Ich lechze danach, meine Arbeit wiederaufzunehmen und was zu machen, ich bin so unglücklich und unzufrieden dass ich nicht dazu komme…

Scheitern wir an den eigenen Anspruch? Was würde helfen?

1. Es interessiert keine Sau, wie dreckig es hier ist. Oder ob ich was frisches gekocht habe oder eine TK-Pizza.
2. Job ist klar begrenzt und Überstunden nennt man schlicht “Mehrarbeit”. Interessiert keine Sau, wird nicht bezahlt, einzig: Man kann es abbummeln. Ergo: Unbezahlte Arbeit wird nicht verrichtet.
3. Haushalt und sonstiges kann man delegieren, es kostet einfach nur viel, viel Geld. In den sauren Apfel beißen, zahlen.
4. ZEIT ist kostbar und Freunde wichtig. Anrufen, einladen. Mehr kann man nicht tun. Wer nicht will, der hat schon.
5. ZEIT zum Denken? Einplanen. Es geht nicht anders – die Uhr tickt unerbittlich, und wenn sowieso alles getaktet ist, warum nicht auch die Zeit zum Denken?

So, jetzt haben wir hier sogar eine Lösung. Und? Tja, das Leben ist nicht so.
Das Leben sieht vor, dass man zuweilen alleinerziehend ist, dass man krank ist, dass man mit Anwälten zu tun hat, dass man keine Haushälterin beschäftigen kann, weil es kein Geld regnet.
So, meine Zeit ist jetzt sei vier Minuten um, sorry – mehr gibt es später…