Affektkontrolle oder warum billige Dinge shoppen nicht glücklich macht

In der Personal Styling Branche gibt es zwei goldene Regeln: “Cost per wear” und “3 items rule”.

Cost per wear erfasst den Preis im Verhältnis zur Nutzungsfrequenz und -länge.
3 items rule besagt, dass jede neue Sache zu mindestens drei alten Sachen passen sollte.

So gelingt Affektkontrolle beim Shoppen!

Warum ist das notwendig und warum sparen Personal Sytlists am Ende genau deswegen ihren Kund*innen Geld? Das klingt nach schamloser Eigenwerbung und das ist es auch, aber ich will mal erklären wie Shopping und die Konsumfallen so funktionieren. Nüchtern und wissenschaftlich, denn Konsum ist sehr stark auf Emotionen ausgerichtet und da muss einfach ein bisschen Rationalität rein. Weiterlesen…

Wünsche zum Muttertag

Normalerweise käme hier ein Text über Gender Pay Gap und unbezahlte Fürsorgearbeit. Aber diese Takes immer wieder zu wiederholen, bedeutet sich auch immer wieder zu rechtfertigen. Es ist Beschäftigunstherapie und es führt zu keiner Lösung.

Deswegen gibt es zwei Dinge, die viel wichtiger sind: Weiterlesen…

Sei eine Mutter!

Sei eine Mutter!
Wisse alles, könne alles, reiße Dich auseinander und reiße Dich zusammen!

Neulich beim Schwimmunterricht für meine Tochter: Ich war das erste mal dort, den anderen Termin hatte der weltbeste Ex-Mann wahrgenommen. Um mich herum nur Frauen. Im Tal der Ahnungslosen fragte ich ständig “Wo ist dies?” und “Wo ist das?” und wurde mitleidig angeschaut und: Ignoriert. Richtig, ich bekam keine Antwort. Natürlich hatte man meine Frage gehört – die Frauen schauten in meine Richtung, und keine antwortete.

Da begreift man, dass Unwissen und “sich nicht kümmern müssen” ein Privileg für Männer ist. Denn jeder Mann wäre dort gefeiert worden, der sich so liebevoll um sein Kind kümmert. Als Mutter ist das scheinbar ein Pflichtprogramm, und als gute, perfekte Mutter muss ich zudem allwissend sein.
Der deutsche und angelsächsische Muttermythos ist ohnehin richtig krass, frau nehme Mutter Maria als Beispiel. Sie gebärt als Jungfrau, hält ihren toten Sohn im Arm bis er auferstanden ist, währenddessen der Erzeuger? Gott lässt sich nicht blicken. Das ist unser Maßstab. Der Maßstab für Männer ist somit auch klar: Wenn er öfter auftaucht als Gott, also überhaupt jemals, dann ist es schon der perfekte Vater.

Und ich glaube, der Grund warum es immer noch keinen #carestreik gibt, ist die Tatsache, dass wir Frauen wissen, dass die internalisierte Misogynie so tief in den Frauen drin steckt, und so fest verankert ist, dass wir untereinander niemals solidarisch wären, denn es würde stets eine Frau oder mehrere versuchen, sich einen Vorteil zu verschaffen.

Während uns Mutterschaft psychisch und physisch alles abverlangt (laut Studien dauert das Postpartum sieben!!!! Jahre!!!!), schaffen wir es also nicht, dieses Muttermythos zu entkräften. Warum? Es ist ein System, das sich immer wieder selbst bestätigt. Es erlaubt dem (weißen) Feminismus, neue Bücher zu schreiben, wo man darüber jammert; es erlaubt mir, diese Kolumne zu schreiben, die gepfeffert ist, aber vermutlich nur bei Nicht-Müttern Zuspruch finden wird; es bleibt demnach alles in der Logik des Kapitalismus/Patriarchats, wo frau sich Luft machen kann, aber dann weiter macht.

Und was soll ich sagen: Ich gehe heute zum Schwimmen!
Und ich erwäge gerade ein Büro-Outfit anzulegen, denn ich weiß dass frau mir dann anders gegenüber tritt, fast so, als wäre ich ein Mann, denn ich bin dann ja eine berufstätige Mutter, also fast ein Mann.
Lächerlich? Ich wette, frau wird mir anders entgegentreten. Let’s try.

EDIT: Tatsächlich wurde ich anders angeguckt, automatisch zurückgegrüßt, sowas – und eine etwas pissige Nachfrage meinerseits wurde extrem höflich beantwortet. Kleider machen Leute!


Gefallen Dir die Texte?

Hier ist die Lippenstiftkasse:
P A Y P A L ❤️ M E

Die Scham als Marketinginstrument

“Weil ich es mir wert bin.”

Damit verkauft man alles. Immer mit Angst: Wirst Du XY sein/erreichen, wenn Du nicht XY hast/kaufst/bist?? und natürlich mit der großartigen, leisen kleinen Peitsche der letzten Jahrtausende, der Kirche, des Patriarchats, des Wirtschaftssystems, der Scham. Bist Du Dir XY nicht wert?! Schäm Dich!

Beschämt werden fürs nicht gut genug sein, für nicht “mehr wollen”, für deine Wünsche, für dein Dasein, für dein Tun, für dein Äußeres, für dein Inneres:
Sag mir, dass Du eine Frau bist, ohne mir zu sagen, dass Du eine Frau bist.

Viele Dinge, die ich von Frauen gelesen habe, die älter sind als ich, und viele Dinge die ich lese von Frauen, die ganz anders leben als ich, drehen sich um Schamlosigkeit*.
Schamlosigkeit ist das einzige Instrument, das ich bezeugen kann, immer und in allen Situationen zu funktionieren. Gerade für uns Frauen! Und doch sind wir genau damit aufgewachsen, beschämt zu werden. Für Beinbehaarung, für zu lautes Sprechen, für den Partner, für existentielle Bedürfnisse “Willst Du das wirklich noch alles essen?” Die Schamlosen unter uns hingegen machen es richtig und haben es gut. Natürlich darf Schamlosigkeit nicht zum Mobbing werden (tut es leider aber oft), und das Ausbeuten anderer Personen durch die inhärente Schamlosigkeit des Kapitalismus ist auch nicht schön. Das ist dann der sehr schmale Grat zur Dreistigkeit und wird von der Sorte Mensch verwendet, die man genuin als Arschloch oder Psychopath*in bezeichnet. Stets lächelnd und freundlich laufen diese Personen häufig unerkannt in unserem Umfeld unterwegs. Und häufig sagt man über diese Leute “Ich kann es kaum glauben, dass…”, weil aufgrund unserer Moralvorstellungen und auch anerzogenen Scham manche Geschehnisse außerhalb unseren Horizontes bleiben.
Deshalb – eine Abgrenzung für den Begriff der Schamlosigkeit ist notwendig. Weiterlesen…

Was passiert, wenn jemand stirbt, die man nur virtuell kannte?

Diesen Beitrag habe ich im Kopf vorhin schon begonnen zu schreiben, da stand ich noch im Bad beim Zähne putzen. Es fröstelt mich, trotz zweier Pullis, dicken Socken und Tee. Ja, ich bin furchtbar lange krank gewesen, und ich wünschte ich wäre mehr Hypochonder, und würde mich besser kümmern, und wüsste warum ich so krank bin und immer wieder so schüttelfröstelig friere – oder ich bin vielleicht einfach nur sehr müde und deswegen ist mir schlicht und einfach kalt. Oder vielleicht einfach auch, weil ich gerade erfahren habe, dass jemand einfach so gestorben ist. Zack bumm. Und dass ist jemand, die man quasi kennt, dessen klug Gedanken man lange gelesen hat, und mit der man sich getroffen hätte, irgendwann demnächst hier vor Ort, auf ein Kaffee und ein Besuch bei der Goldschmiedin.

Jemand, die viele kannten und schätzen, wenn auch nicht persönlich, nicht vollständig, und nicht “in echt”. Und genau das ist das, was so viele Leute nicht verstehen: Soziale Medien sind nicht virtuell. Die Technologie ist nicht mal virtuell, der Begriff ist wissenschaftlich eigentlich definiert und ich erinnere mich vage, es extra nochmal nachgelesen zu haben, weil ich mich daran störte, um dann noch verwirrter zu sein. Die technischen Plattformen sind Services, Dienstleister unserer Kommunikation, kleine Bits und viele kleine, geleitete Stromimpulse. Lauter Dinge, die man anfassen kann und sehen kann, wenn auch nicht mit bloßem Auge.

Sind die Menschen virtuell? Sie sind qua ihres Contents, ihres Outputs, und ob ihrer Möglichkeit als Repeater, also wiederholend, zu fungieren. Sie sind aber einfach auch jemand, dem man schnell geschrieben hat, statt “rüber zu gehen” – weil diese Person gar nicht in einem Raum nebenan sitzt. Physisch vielleicht nicht, aber sitzt sie doch hier vor mir, und man drückt auf die “Neu laden” Symbole des jeweiligen Dienstes und liest weiter, was diese Person schreibt und sagt.

Und dann stirbt sie.

Zack bumm.

Man kann sein digitales Erbe der Welt hinterlassen oder andere Menschen damit beschweren, schöne neue Welt. Man hat ein Leben nach dem Ableben, und das ist ironisch, wo wir uns versuchen als Geist auf Festplatten uns der Ewigkeit zu bemächtigen, und das nicht nur in Science-Fiction-Filmen. Seltsam, weil wir alle ableben “Wir werden alle sterben!” und trotzdem mit diesen Gedanken, mit unseren Ideen und Nachrichten noch da sind. Und nein, es ist ein Unterschied zwischen dem und so etwas wie künstlerisches Werk, was von einer Künstlerin verbleibt. Ist es das? Mumifizierte Wesen auf unzähligen Backup Festplatten, die irgendwann überspielt und gelöscht werden – sollten. Der Umwelt zuliebe. So wie man verbrannt werden sollte. Nicht nur der Umwelt zu liebe. Asche zu Asche, Staub zu Staub.

Und was passiert dann? Die Welle des Entsetzens ist tiefgreifend und ebenso: Kurz. Das Social Media Monster, also das Medium, es wird getragen und belebt von all denen, die diese Nachricht nicht vernommen haben und wesentlich mehr noch von denen, die es nicht interessiert. Ja, sogar von den Leute die fragen, ob das jemand schon mal wissenschaftlich aufbereitet hat, so einen Sterbefall, der digital und virtuell (nicht!) ist.

Naja, wir sind ja noch da, wir empören uns und frieren weiter, schlagen mit den Fingerspritzen auf unsere Tastatur und belasten die Umwelt und sind gleichzeitig sehr stolz drauf. Hey Siri, stell den Wecker auf acht Uhr, morgen ist die Person vergessen und wir haben uns heute immerhin kurz daran erinnert, wie fragil das Konstrukt Namens Leben ist. Es bleiben viele kluge Gedanken irgendwo gespeichert, sehr bald schon vergessen, überschrieben von ebenso klugen Gedanken, nur etwas anders, das ist der Lauf der Dinge.