Aufgrund meiner Selbstständigkeit muss ich eine Marktanaylse machen. Muss ich nicht, aber ich soll – und als Kauffrau ist das nicht das schlechteste, so etwas wie einen Businessplan zu haben.
Zielgruppe, Marktverhalten, Sinusmilieus, Mitbewerberinnen, Preislisten und AGBs sind noch das harmloseste.
Wer in Deutschland ein Unternehmen führen möchte, braucht Sitzfleisch, eine Telefonsexstimme, mit der man aus jedem Sachbearbeiter die gewünschte Info heraus orgasmiert, und dazu ein Stück latent pathologisches Selbstbewusstein.
Was soll ich sagen, ausreichend Narzissmus habe ich mir bereits erarbeitet, hatte genug männliche Vorbilder. HA!
Ich möchte nicht eine Ü40 oder ü50 Klientel bedienen, ich möchte das Wort Authentizität nie wieder hören – wenn Du nicht Du bist, wer bist Du dann, verdammt?! und obwohl ich Empowerment lebe, ist das Wort mittlerweile genau so verbrannt wie Nachhaltigkeit. Es ist schwer geworden, zwischen professionellen Bilder und perfekt kuratiertem Content etwas zu finden, was inspiriert. Was mich herausfordert. Was mich nicht in noch mehr Schubläden packt, als die, mit denen ich bereits schon zu kämpfen habe. Die eigenen Clichés wabbern permanent im Alltag um mich herum, genau wie meine internalisierte Misogynie und andere toxische Glaubenssätze, die ich versuche zu bearbeiten.
Und ich kann und kann NICHT das geben, was sich vermutlich rentieren würde: Perfekte Bilder, perfekte Scheinwelt, in der sogar Scheitern und Depression als Empowerment vermarktet wird, unglaublich viel und unsinnigen Konsum, gerade im Bereich Kleidung, denn das ist für mich ein absolutes No Go. Und gerade was Kleidung betrifft – ich möchte nicht in schreienden Farben und goldschmuckbehängt um Aufmerksamkeit buhlen, nur weil ich XY alt bin. Das würde nämlich bedeuten, dass ich meine Sichtbarkeit von anderen herleite. Dabei ist Sichtbarkeit – wie magisch! – das Produkt einer realistischen Selbstwahrnehmung. Alles andere bedeutete sich selbst gegenüber ignorant und unreflektiert zu sein.
Dinge, die mich umtreiben, sind häufig nicht altersbedingt, sondern gesellschaftlich bedingt. Bloggen, als ob keiner mitliest, leben, als ob es mich nicht interessiert wer dabei zuguckt, und wie ein Unfall von A nach B stolpern, weil das Leben nach Plan zu leben absolut nichts bringt, das tat ich und das tue ich ehrlich gesagt immer noch.
Ich bin nicht schick, ich bin nicht fashionable, ich bin nicht medial vernetzt, ich betreibe kein E-Zine, ich bin nicht mal schön, nur gepudert, ich bin nicht reich oder ein Celebrity-Kind und ich bin in erster Linie immer noch ganz schön unprofessionell. Ich wurschtele mich durch, nur dass ich das zugebe. Ich bin NICHT diejenige, die die von A bis Z eine Story auftischt, die authentisch ist! und so instagramble! sondern jemand, aus deren Fehlern Du lernen solltest. Ja, ich habe echt ein paar fiese Dinge im Leben mitgemacht und die waren allesamt unglamourös, sie haben mich nicht stärker gemacht, und ich bin dadurch nicht zu einem besseren Menschen geworden.
Fangen wir also mit diesem Fehler hier an – es ist ein Fehler, nicht professionell sein zu wollen. Doch was ist das schon? Im großen Theater des Lebens machen wir uns und anderen jeden Tag etwas vor (Danke Goffman). Da bediene ich besser meine exhibitionistische Ader und verchecke dabei genau das, was ich bin: Die etwas verrückte Frau von nebenan.
Die äußerst seriöse Welt, in die wir jeden Tag geschminkt und gepudert auftauchen, ist eigentlich herrlich lächerlich. Also, immer locker durch die Hose atmen, und versuchen einigermaßen heile durch den Tag zu kommen, Prios zu haben und Werte zu leben.
Ich stehe dafür, dass wir es besser haben, etwas schöner, etwas mehr GUT, etwas mehr über den eigenen Tellerrand schauend, lernender, transparenter. Weniger allwissend, weniger pseudoperfekt, weniger rechthaberisch.