Living in the public eye – Verlust und Scheitern in der Öffentlichkeit

TRIGGERWARNUNG KINDSTOD UND VERGEWALTIGUNG

Das Thema betrifft mich ein wenig auch, da ich mein Leben relativ frei auf meinem Blog ausgebreitet habe. Ich bin grandios gescheitert, in einigen Dingen, und wenn ich ehrlich bin (sobald ich das öffentlich machen kann) ist das ein riesiger Erfolg. Denn ich habe mit meinen Schwächen und Scheitern mehr erreicht als mit meinem objektiven Erfolgen. Heute geht es aber nicht um mich, sondern um Personen, die sehr krasse Dinge an eine sehr große Öffentlichkeit gebracht haben und damit ebenfalls Dinge bewegen.

Das Narrativ von Erfolg, Geld, Macht ist das eine, doch wieviel stärker sind Verlust und Scheitern? Leid bewegt Menschen, bewegt Systeme, bewirkt Revolutionen und bewirkt Evolution. Jede Frau, die in der Öffentlichkeit steht, ist dieser sowieso gnadenlos ausgeliefert, und sie bemächtigt sich ihrer selbst in de Augenblick, in welchem sie öffentlich schwach ist. Denn Schwäche zeigen ist die größte Stärke, auch wenn wir leider gesamtgesellschaftlich keine großartige Fehlerkultur und Kultur des Scheiterns haben. Es dient ja auch dem Märchen der Meritokratie, dass es jede schaffen kann, wenn sie sich genug anstrengt, das richtige kauft, usw.

Das Private ist politisch. Zwei Frauen, davon eine PoC, haben die Hosen komplett runtergelassen. Ja, es dient ihrer Reputation, ihrer Markenbildung, ihrem Business, mag man nun argwöhnen, aber bei aller Liebe, – NEIN.

Es hat mich krass bewegt. Und weil ich andere Frauen bewegt habe, mich andere Frauen bewegen, ist es mir wichtig, diese Geschichten im deutschen Raum zu verbreiten, weil sie wichtig sind und wie so viele Dinge, die Frauen betreffen, keine Beachtung finden.
Aufgrund der sehr heftigen Inhalte auf gesonderter Seite weiter:

Emily Ratajkowsky – aka Emrata
Das 29-jährige Modell, das durch freizügige Bilder und einem perfekten Body bekannt wurde, hat auch ihre Geschichte und sie ist gelinge gesagt, scheisse. Aufgrund ihrer Bekanntheit als “body” wird die Geschichte ihrer Vergewaltigung durch den Fotografen, der später auch noch ein Buch mit ihren Nacktbildern publiziert, komplett irgnoriert.
Das ist das Pendant von”sie hätte halt keinen kurzen Rock anziehen sollen, kein Wunder dass sie vergewaltigt wird”.
Am Anfang ihrer Karriere trifft sie, und mit ihr Millionen andere Mädchen, die sich als Model versuchen, einen Fotografen, der sie erst betrunken macht und dann vergewaltigt. Die Zusammenarbeit ist schon relativ eklig, sie posiert für viele freizügige Bilder, davon ausgehend dass sie das als Profi tun müsse. Irgendwann überschreitet er die Grenze. Es entstehen weitere Bilder, die ihr unangenehm sind. Nun sieht der Gesetztgeber das so vor, dass Bilder Eigentum des Photographen sind, und so kann sie sich nicht wehren, als er beschließt, diese zu veröffentlichen, zu einem Zeitpunkt als sie schon sehr bekannt war und damit natürlich entsprechend Geld zu verdienen ist. Sie bittet ihn, darauf zu verzichten, weil die Bilder nicht im Konsens entstanden.
Jedenfalls scheitert sie damit und das Buch von dem ekligen Typen geht in eine zweite Auflage. Männermagazine greifen das geifernd ab und betiteln Ratajkowsky verdeckt als Hure.
Sie geht nach Jahren nun damit an die Öffentlichkeit. Sie postet eigene Nacktbilder. Sie bemächtigt sich damit ihres Kapitals, nämlich ihres Körpers. Gut so!
Die Debatte flammt auf, es geht um Bilderrechte und die ENtscheidung darüber, mit seinem Körper Geld zu verdienen.

Dabei wird jedoch die sexuelle Gewalt komplett ausgeblendet und auch die Tatsache, dass sexuelle Gewalt in der Branche üblich ist, und es sehr viele sehr junge Frauen erleiden und natürlich auch sehr viele junge Männer.
Die Modebranche ist schwer zu ertragen, die hässliche Seite ist sehr hässlich, neben dem vielen schönen Schein und Kreativität.

Es ist sehr mutig von Ratajkowsky, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, gerade WEIL sie als eher unbekleidete Person bekannt ist. Die Reaktionen sind da ja absehbar.
Doch hat jede Frau ihr gutes Recht, mit ihrem Ab-Bild zu tun, was ihr beliebt, und das ist keine Einladung zum Geschlechtsverkehr. Es ist auch Mißbrauch, Bilder zu veröffentlichen, um Personen bloß zu stellen.

Davon abgesehen – es gibt solche Photo-Bände nur von Männern über Frauen. Einfach ekelhaft.

Hier ist ihr eigener Beitrag:
https://www.thecut.com/article/emily-ratajkowski-owning-my-image-essay.html#_ga=2.147769330.412610208.1601905085-1776380036.1601905085

JETZT KOMMEN WIR ZUM RICHTIG SCHLIMMEN TEIL
Christine Teigen ist ein Model und Reality-Star. Sie teilt alles mit der Öffentlichkeit, ihre ehe, ihre Postnatale-Depression, ihren Business als erfolgreiche Kochbuch-Autorin. Man kann bei Instagram an ihrerm Leben mit John Legend, einem bekannten Sänger, und ihren zwei Kindern (plus massig Personal) teilnehmen. Sie ist auch eine Spitzzüngige Twitterin, die dem dummen Drump schon einiges verpasst hat. Ihre Offenheit geht an die Schmerzgrenze, und an die Schamgrenze. Und dann, das härteste ever – sie wird mit dem dritten Kind schwanger. Die ersten zwei waren bereits künstlich befruchtet worden, und ihre post-natale Deppression hat sie auch an die Öffentlichkeit gebracht.
Als die Schwangerschaft öffentlich wird, freuen sich viele Leserinnen auf Instagram, darunter auch ich. KLar!
Doch es geht ihr irgendwann schlecht, sie muss liegen, sie wirkt nicht gut. Auch das wird dokumentiert, sie muss ins Krankenhaus, – alle kommen mit. Ihr Mann schmiert ihr Brote und kommentiert das Krankenhausessen. Sie versuchen es mit Humor, aber es scheint durch, irgendwas ist nicht in Ordnung. Sie bekommt Blutinfusionen.
Sie verliert das Baby, und sie veröffentlicht alles. Ungeschönt. Ich muss schon heulen, wenn ich daran denke; ich stieß zufällig drauf und es war echt hart. Deshalb gibt es hier kein Link, kein nix, es ist zu kraß.

Ein fünftel aller Befruchtungen schaffen es biologisch betrachtet nicht, als lebensfähiges Baby zur Welt zu kommen. Es ist ein Tabuthema sondergleichen. Der Schmerz muss unvorstellbar sein (er IST unvorstellbar!!) und der Umgang damit ist gruselig, ich habe es aus nächster Nähe miterlebt, da mein Patenkind eines dieser Kinder ist. Stirbt Dein Kind sehr früh, bekommst Du trotz Geburt keinen Mutterschutz. Geh doch arbeiten! Es bekommt kein Grab. Es ist halt ein toter Zellhaufen – das wiederum wird beim Thema Abtreibungsrecht auf einmal unwichtig.

Trotz der Zahlen, trotz der wissenschaftlichen Statistik, trotz Genetik und unserem Wissen darüber – es ist unglaublich krass und mutig, so etwas an die Öffentlichkeit zu bringen.

Zwei Frauen haben das Schlimmste, was ihnen widerfahren ist, an die Öffentlichkeit gebracht, und sie lassen uns damit wissen: Du bist nicht alleine.
Zwei so privilegierte Frauen ziehen blank in der Öffentlichkeit.

Das Private ist politisch.

Ich werde auch blank ziehen. Was soll’s.

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