Ein äußerst persönlicher Post diesmal! In meinem Urlaub hatte ich Zeit, darüber nachzudenken ob ich in die Politik gehe*.
Tatsächlich haben es mir einige angetragen und mich ermutigt. Ich verfolge eine Weile die Piratenpartei und mir gefällt das WIE schon mal recht gut. Das Programm betrachte ich sehr kritisch, zum größten Teil ist es kaum vorhanden. Und auch hier tummeln sich die zukünftigen, bierbäuchigen konservativen Kerle bereits zahlreich herum. Doch es wäre eine Chance, jetzt mitzumachen und in zehn Jahren etwas geändert zu haben.
Allerdings finde ich einiges doof:
– Das BGE (bedingungslose Grundeinkommen) halte ich für Unsinn, es wäre eine Aufstockung und Umbenennung der Sozialhilfe/ALGII/Hartz vier. Das macht es nicht besser. Mindestlohn wäre die bislang links besetzte, bessere Forderung, allerdings müsste man auch die Arbeitgeberseite mit bspw. Kündigungsfristen mitbetrachten und das wäre eine sehr unpopuläre Position, die keiner vertreten möchte, schließlich sind die meisten Wähler Angestellte. Die übrigens mit befristeten Arbeitsverträgen sowieso dauergefickt werden…
Vielmehr mache ich mir Gedanken über das Leben als Frau in diesem Land (und mit mir mehr als 50% der Bevölkerung!):
– Teilzeitarbeit? Igitt. Mache ich gerade und ich muss sagen – wer sich ausbeuten lassen möchte, kann gerne Teilzeit arbeiten. Man arbeitet mehr, schneller, besser, ohne Pause, mit (unbezahlten) Überstunden und so wundert es keinen, dass die überwiegend weiblichen Teilzeitangestellten irgendwann gerne mit Kind und Kegel und ihrem Burnout zu Hause bleiben. Als Teilzeitangstellte/r wird frau(fast ausschließlich Frauen!) und man nun mal nicht ernstgenommen, denn es zählt nicht Arbeit oder Ergebnisse (Einsatz, Fleiß, Motivation…) sondern die Zeit, in der man “sichtbar” ist. Fakt ist, dass kein Mensch effektiv 70 Stunden arbeiten kann. Rumlabbern, Meetings, Arsch platt sitzen, aber nicht Dinge TUN.
– Die Kinderfrage ist als Frau Anfang 30 natürlich etwas, was auch mich umtreibt. Sehe ich sehr kritisch. Meine Wahl ist so oder so beschissen – ich werfe, ich bleibe zu Hause, ich knicke meine Karriere. Alternativ: Ich werfe, ich OOOPS! ich kann mein Kind nicht betreuen lassen!, ich bleibe zu Hause, ich knicke meine Kaariere. Alternativ: Ich werfe, OOOPS! Ich kann kein Kind betreuen lassen!, Kerl bleibt zu Hause, wir haben kein Geld (ich verdiene nämlich zu wenig, da ich egoistischerweise so spät nochmal studiert habe).
Etliche Bücher, Twitter-Dialoge und Gespräche (mit Männern!) weiter erscheint es mir, als ob dieses “Problem” das Eigentliche ist, was uns Frauen alles versaut. Tatsächlich ist die Macht der Reproduktion schon lange eine Waffe gegen die Frau selbst geworden.
Aufgrund der “biologischen” Tatsache dass Frauen Kinder bekommen, müssen sie diese Kindern angeblich 24h zur Verfügung stehen. Väter oder andere Personen eignen sich dafür nicht, wegen der “Bindung”. Wer schon mal Frauen gesehen hat, die seit 3 Monaten nicht geschlafen haben, wird verstehen dass sie auf diese Bindung scheißen und gerne auf eine geregelte, professionelle Betreuung in der Krippe zurückkommen. Würde. Wenn. Es denn so etwas gäbe. Die Argumentation pro Frau, sie müsse es ja biologisch begründet tun, verkehrt sich somit gegen die Frauen, die durch ihren Uterus aufs Mutter sein reduziert werden. Übers Elternsein spricht immerhin ja keiner… heisst ja auch Tagesmutter! Nicht Tagesbetreuung!
Immerhin gibt es die Möglichkeit, das Kind ab einem Jahr betreuen zu lassen – heißt für die Frau (zu über 90%!!) oder den Mann einen 1jährigen Verdienstausfall von 40% des Nettolohns. Also fast die Hälfte. Das in Deutschland sich hartnäckig haltende Mythos der aufopfernden, 24h anwesenden Mutter, die sich für ihre Familie opfert und ihrem Mann den Rücken freihält, nachdem sie studiert hat (mindestens…) hält sich gerade in der bürgerlich etablierten Schicht wie einbetoniert fest. Von Geburt an wird das Mädchen auf ihre Rolle als Mutter vorbereitet, von der Schule in “musischen” Fächern gefördert, von ihrem Chef belächelt und schlecht bezahlt, von ihren Kindern als selbstverständliche Dauereinrichtung betrachtet (es gibt Leute, die bis Ende 20 zu Hause wohnen und sich von Mutti die Wäsche waschen lassen, obwohl sie berufstätig sind!) und niemals als Individuum, sondern als “die wird sowieso irgendwann Kinder kriegen und zu Hause bleiben (müssen)” beschrieben. Letzte ist eine Rhetorik, derer ich mich auch schuldig bekennen muss. (Wenn ich persönlich etwas hasse, dann sind es selbstzufriedene Hausfrauen, die ihre Kinder trotz Zähne noch stillen und deren Schwangerschaften in Dreijahrestakt den Mann immer noch überraschen.Aber das ist meine bescheidene Baustelle.)
Die Kinderfrage wird zum Geburtsstigmata – in einer wohlhabenden aber stark patriarchalisch geprägten Gesellschaft. Kinder und Familie heißt nicht nur Freude sondern auch Opfer, natürlich der Frau. Ob es die Verweigerung einer Narkose bei der Geburt ist, die Beschränkung der Frau auf ein Mutter-Kind-Ghetto**, die finanzielle Abhängigkeit gekoppelt mit Altersarmut und am allerschlimmsten: Der größtenteile Verlust (statt einer Wandlung) des Ichs, der durch die Nicht-Teilnahme an der Öffentlichkeit (Beruf, Bürotratsch, Weihnachtsfeier, bla bla).
Hier Schuldige zu benennen ist unmöglich, man erkennt die äußerst raffinierten Zusammenhänge und kann doch nichts dagegen sagen oder tun – denn hier wie da, Männer wie Frauen, Frauen wie Mütter, die Argumente sind so vielfältig und so scheinbar gerechtfertigt wie es eben im Mikrokosmos einer Personen nur sein kann.
Lösungen gerade für die Frau-Thematik, für’s Frau sein und für “weiblicher Teil der Gesellschaft sein” gäbe es wohl, aber…
Mit solchen Kontroversen geht man besser nicht an die Öffentlichkeit!
Oops, ich habe es gerade getan! Auf einen Beautyblog! Gott sei Dank muss niemand eine Beautybloggerin ernst nehmen.
Gott sei Dank kann ich diese Plattform einfach nutzen, freedom of speech soll es ja noch geben, und ich weiß, weil ich deswegen seit 7 Jahren für meine LeserInnen publiziere, dass diese meine persönliche Meinung achten und dennoch gerne kritisch sind.
Und jetzt möchte ich bitte einen Shitstorm! Nachdem Partizipation (Leute denken lassen, sie dürften mit entscheiden) mein persönliches Unwort des Jahres 2011 war, ist Shitstorm (Schimpftirade, meist öffentlich über Kanäler sozialer Medien) mein Unwort 2012. Alles wird freigeschaltet!
Kleiner P.S.: Mutter zu sein ist das härteste der Welt, ich möchte nichts gegen die Frauen sagen, die Kinder haben. Gegen Muddis aber schon. Kinder sind etwas wundervolles, aber kein Statussymbol oder Selbstzweck, sondern etwas, was zum Leben dazugehört (wir wären ja sonst auch nicht hier).
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*Ob ich in die Politik gehe? Ich würde, aber ehrlich gesagt kann ich es mir nicht leisten, ich muss für meine Geld arbeiten.
**Diesen Begriff habe ich von Barbara Vinken übernommen: Die deutsche Mutter. Der lange Schatten eines Mythos. Fischer 2011.