Neulich belauschte ich ein Gespräch, das die Vorteile einer bestimmten Handcreme als Subjekt hatte. Sie sei die einzige, die geholfen hätte, und überhaupt, wüsstest Du, dass die extra für norwegische Fischer entwickelt worden sei?
Da ich FFP2 trug, fiel mir die Kinnlade nicht bis zum Boden, aber mein verzweifelter Gesichtsausdruck sprach sicherlich Bände. Die Fernsehwerbung ist sogar mir bekannt, geglaubt habe ich an diese Story natürlich nie. Die billigste Formulierung aller Zeiten, wenn sicherlich keine schlechte, die markige Verpackung und der günstige Preis: Handcreme halt, gehört zu einem der größten sogenannten Consumer Health Konzerne. Der rest ist Werbung.
Hier sehen wir: Durch die Wiederholung der Geschichte und die immer wieder ausgestrahlte Werbung entsteht eine reale Geschichte, ob sie wahr ist oder nicht.
Warum sollte man das auch überprüfen? Natürlich könnte man den Einwand erheben, dass es gar kein Sinn macht, so ein Produkt auf See zu benutzen, bei Minusgraden und Nässe. Und dass es vermutlich einfach nur eine ausgedachte Geschichte ist, damit man sich das Produkt besser merkt, wenn man vor den übervollen Regalen steht. Man könnte sein Wissen über Kapitalismus, über Werbung und seinen Verstand respektive Logik verwenden, aber das geschieht nicht.
Und jetzt stellt Euch mal so eine Geschichte auf politischer Ebene vor. Und den ganzen Tag läuft im Fernsehen und Radion eine Story, auf verschiedene Arten erzählt, die immer und immer wieder etwas bestätigt und ins Hirn pflanzt – so funktioniert Propaganda. So funktionieren Mythen. So funktioniert Geschichte letzten Endes. Wahrheit ist ein Begriff, den mir meine Doktormutter regelrecht verboten hat, und jede Philosophin wird da schmunzeln. Realität soll man sagen. Stellt man diese begriffe nebeneinander, versteht mensch dass die reale Begebenheit zur Wahrheit wird, sie jedoch nicht auf Fakten basieren muss. Post-faktisch, die bescheuerte Umschreibung für eine Lüge, ist trotzdem real.
In einer Welt, in der man permanent von Informationen bombardiert wird und permanent Entscheidungen treffen muss, welche Zahnbürste, welches Essen, welches Auto, welche Blumen, sind wir hoffnungslos damit überfordert, dieses Storytelling zu erkennen und einzuordnen und müssen es natürlich auch nicht immer. Dass die Kuh von Milka nicht lila ist, letzten Endes humpe, wenn man die Schokolade mag (pfui Deibel, bitte niemals für mich).
Man kann wiederum umgekehrt das Storytelling nutzen im Alltag und die Strahlkraft von Symbolen und Marken.
Verschenkt man einfach so eine einzelne rote Rose? Nein. Wir rechnen in solchem Falle allerdings damit, dass mensch die entsprechenden Symbole dechiffrieren kann. Manchmal sind die Menschen jedoch ignorant, weil sie es wollen, müssen, nicht anders können, und diese Übersetzungsarbeit wird nicht geleistet. Das ist im Falle einer Handcreme für 3 Euro nicht tragisch, aber im Falle von Kriegspropaganda, wie es derzeit etwas näher an uns medial geschieht, ganz anders.