Dieser Beitrag liegt mir schon lange auf der Seele, aber es war gar nicht so einfach, zu einem weisen Schluß zu kommen. Jede/r, der im Leben seinen Herausforderungen begegnet und diese meistert, wird erst im nachhinein klar, wie es abgelaufen ist und was gut oder schlecht dran war.
Der “Bleib Dir Treu” Spruch ist so abgegriffen wie meine alten Hausschuhe und so muffig wie zehn Tage alte, in der Sonne gelagerte Butterbrote. Zu diesem Spruch gesellen sich noch gerne Plattitüden wie “Es wird alles gut” und “Du schaffst das schon”. Mag ja alles stimmen, wenn man allerdings eine konkrete Handlungsanweisung bräuchte, ist das alles Schall und Rauch. Mich persönlich kann man damit ansonsten auch gut in den Wahnsinn treiben, respektive meinen Blutdruck erhöhen, was manchmal aus medizinischen Gründen durchaus notwendig sein kann.
Und heute sage ich diesen Spruch selbst – und ergänze mit: Du schaffst das schon, es wird alles gut.
Wer seinen Kopf nicht schon längst auf die Schreibtischplatte gedonnert hat, möge nun hinfort lesen…
Bedingt durch strukturelle Ungerechtigkeiten (ich denke das ist die politisch korrekte Umschreibung von Kacke am Dampfen), hatte ich einige sehr unschöne Wochen im Job, die mich belastet haben. Schlaflose Nächte und verspannte Gliedmaßen – man kennt das ja. Man riet mir, mich damit abzufinden oder den Job zu wechseln – zwei Optionen, die mir nicht zugesagt haben. Klappe halten oder flüchten – das mag manchmal oder sogar häufig eine gute Entscheidung sein und man sollte defensives Verhalten gar nicht so gering schätzen (außer dass man am Ende immer verliert, so wie die Fußballer bei der EM gezeigt haben…). Diese Optionen lagen mir ebensosehr auf der Seele, wie die ganze Situation.
Strukturelle Ungerechtigkeit – nun, ich arbeite in einer Teilzeitbeschäftigung in gehobener Position, so das man natürlich von mir erwartet flexibel zu sein, oder auch mal ausnahmsweise und überhaupt. Das Ganze widerspricht sich jedoch mit meinem Gehalt – der beträgt nichtsdestotrotz immer das gleiche und die Überstunden frei zunehmen ist meist utopisch. Das ist das übliche Verfahren in Universitäten landesweit. Das ist im Groben das Problem, das mir irgendwann den Alltag vermiest hat.
Nach den üblichen Gemeckere geschah gar nichts. Also beschloß ich, auf die Ratschläge zu hören und mich defensiv zu verhalten. Und hier kommen wir zum eigentlichen Problem: ich hasse Ungerechtigkeit und noch schlimmer finde ich es, sich nicht dagegen wehren zu können. So kam es, dass es mir damit noch schlechter ging und selbst Leute, die mich selten hören und sehen, auf meine auffällig leise und piepsig gewordenen Stimme ansprachen.
Und hier kommen wir zum Pudels Kern: Wenn Dir als Typ eine bestimmte Verhaltensweise sehr widerspricht, dann lass es. Bist Du den Typ NICHT, der auf den Tisch haut? Dann nimm Option B und wechsele den Job. Alles andere würde Dich unglücklich machen – vorausgesetzt Du weißt 100% und aus Erfahrung, dass Du so ein Konflikt nicht aushalten würdest.
Bleib Dir treu.
Bist Du den Typ, der sich wehrt? Dann wehr Dich verdammt nochmal, denn selbst wenn es nicht zum gewünschten Ergebnis kommt, wirst Du nicht weitere schlaflose Nächte damit zubringen, Dir auszumalen, was Du alles hättest sagen und tun können. Just do it. Das Risiko gegen die Wand zu fahren ist immer vorhanden – aber wer weiß, vielleicht entsteht dadruch ein neuer Ausgang.
Was heißt denn allgemein “Bleib Dir treu?” Das bestimmt letzten Endes auch unsere Rolle in der gesamten Gesellschaft, und auch gerade als Frau. Leider werden wir allzuhäufig als kleine, defensive und friedliebende Püppchen erzogen, die den sozialen Frieden im Umfeld wahren sollen und generell (und häufig auf eigene Kosten) die Pflege sozialer Kontakte und den damit verbundenen Ausgleich wahren. Diese Macht ist schön und gut, solange sie mit einer gewissen Konfliktfähigkeit gepaart ist (das gilt natürlich für alle Geschlechter).
Doch klar ist, wer sich nicht verbiegt, ist glücklicher – die Frage ist nur, welchen Winkel man noch im Kauf nehmen kann. Wer sich gar nicht verbiegt, wird nie dazu lernen und wird nie seine Grenzen austesten. Wer sich treu bleibt, wird es immer im Kern der Sache tun, aber auch Optionen abwägen.
Ja, bleib Dir treu, du schaffst das schon!
Ich wurde erst wieder zu mir selbst, als ich meine piepsige Stimme wieder unter Kontrolle hatte und verbal auf den Tisch gehauen habe. Zumindest lasse ich mir Ungerechtigkeiten nicht deshalb gefallen, weil “es schon immer so war”.
Liebe Frau/Mann/…, Du wirst diskriminiert werden, Du wirst ungerecht behandelt werden, Du wirst mit Dingen konfrontiert, die Du nicht ändern kannst. Letzteres wird man Dir besonders häufig sagen. Behalte im Auge, dass Du nie etwas nur für Dich änderst, sondern grundsätzlich für alle, die noch mit Dir sind und nach Dir kommen – der große Blick wird es Dir doch möglich machen, hier und da zu wirken. Bleib Dir dabei treu, du schaffst das schon – und dann wird alles auch irgendwie gut.
Ein Post Skriptum darf nicht fehlen: War ich erfolgreich? Keine Ahnung, aber ich kann wieder schlafen. Und ist der Ruf erst ruiniert… Ihr wisst ja.
Einer meiner ersten Chefs – da war ich 22 – hat mir zum Abschied gesagt: “und Frau xy, bewahren Sie sich Ihren Widerspruchsgeist”! und meinte damit, dass ich ich bleiben soll und mich nicht unterbuttern lassen soll. Das haben meine Eltern mir immer vorgelebt und das habe ich immer beherzigt. Bin ich damit angeeckt? Aber klar! Immer und immer wieder! Geht es mir damit besser? Jawohl! ich bin sicher im Laufe der Jahre einen kleinen Tick diplomatischer geworden und geh nicht immer mit dem Kopf durch die Wand sondern suche schon die Tür. Aber wenn ich eins nicht leiden kann ist es Ungerechtigkeit. Egal, ob es dabei um mich geht oder um KollegInnen. Ich ecke oft an und sage meine Meinung, auch wenn MANN sie nicht hören will. Das ist nicht immer einfach. Und gerade in meinem männerdominierten Umfeld oft schwierig. Aber ich kann in den Spiegel sehen und kann eher mit diesem Stress leben, als mit dem Gefühl “untergebuttert” zu werden und diese Situation ertragen zu müssen. Ein gewisses Maß an Flexibilität ist sicher immer gefordert, aber auch da gibt es schließlich Grenzen.
Ach, das ist tatsächlich ein ergiebiges Thema. Ich finde es wichtig, sich selbst treu zu bleiben, auch wenn es nicht immer einfach ist. Man muss sich doch immer noch im Spiegel anschauen und erkennen können. Und eben sich auch immer wieder hinterfragen. Kann ich das? Will ich das? Bin ich das? Und wenn ich eins gelernt habe, dann, dass frau für sich selbst einstehen muss, jemand anderer wird’s nicht tun!
In diesem Sinne wünsch ich dir, dass du Erfolg hast. Aber dass du wieder schlafen kannst, ist auf jeden Fall schon mal der erste Erfolg.
Danke Anajana! Ich unterschreibe alles so, wie du es schreibst. Frau muss für sich selbst einstehen, immer wieder. Ich möchte lieber als “Besen” (wenn auch lieb gemeint) tituliert werden als mir alles gefallen zu lassen und mit einem Magengeschwür in der Ecke zu liegen und die Fresse zu halten. Sicher, hier und da sollte frau die Tür nehmen, aber hey – wer die gläsernen Wände und Decken kennengelernt hat, wird stets mit einem Diamantbohrer (elegant) oder mit C4 (laut) rumlaufen müssen – sonst kommt frau eben nicht weiter.
Ich danke Dir, Du hast ja sooo recht. 🙂
Lieber Diamantbohrer als Dünnbrettbohrer. 😉
Anajana: LOL!