Was ist das Besondere an diesem Beitrag? Ich habe diesen Duft verstanden; ich kann ihn Euch erklären und beschreiben jenseits des subjektiven Gefühls, das letzten Endes Eures sein wird, nicht von mir gemacht oder beeinflusst, sondern bei Eurer Begegnung mit dem Duft entstehend. Das Konzept eines olfaktorisch umgesetzten Kunstobjekts, inspiriert und kreiert von einer Frau.
Nur. für. Dich.
Das Besondere ist sicher die Künstlerin getroffen zu haben, den Menschen gesehen zu haben, eine Ahnung von ihrer Vorgehensweise zu bekommen (und sicher mein Besuch der Seminare zu Kunst, Bildwissenschaft und Zeichentheorie, wo ich zum Teil nicht wirklich freiwillig saß). Jenseits des Marketingsprechs kann immer etwas sein, muss es aber nicht – hier steht stets eine Frau dahinter: Als Inspiration, als Ikone, als Produzentin, als Interpretantin oder meinetwegen kühl ausgedrückt als Zielgruppe (in diesem Kontext passt es nicht, es gibt natürlich eine Zielgruppe und eine Verkaufsstrategie, Zahlen, Marketing, aber das soll hier&heute mal weniger Thema sein). Die Frau kann und wird auch als Marketingsstrategie eingesetzt werden, aber mir ist dieses “Mittel zum feministischen Zweck” recht.
Ich wünschte mir so einen Zugang auch zu anderen Düften zu haben, und werde versuchen einen weiteren Cartier Duft für eine Rezension zu bekommen, jetzt, wo ich die Parfumeurin “kenne”.
Inspiration
Der Duft orientiert sich an das Symbol des Hauses, dem Panther. Nach der Art-Deco Ära, wo geometrische Muster auch das Schmuck-Design dominierten, war der Panther, dessen Fell eine zufällige Anordnung von schwarzen Onyx-Steinen zierte, eine kleine Design-Revolution – aus der Hand einer Frau: Jeanne Toussaint (1887-1978). Sie leitete die Haute Joaillerie des Hauses Cartier und machte deren Design weltberühmt mit Entwürfen von Tieren, allen voran der Panther. Eine Freundin und Zeitgenössin Coco Chanels, ist sie jedoch niemals so berühmt geworden – ihre Werke umso mehr. Ihre Biographie gibt es daher leider nur im französischen: La panthère : Le fabuleux roman de Jeanne Toussaint, joaillière des rois von Stéphanie Des Horts; eine englische Zusammenfassung findet ihr hier.
Ikone
Der Panther ist das einzige Tier, das nicht nur aus Hunger jagt, sondern aus purer Lust. Durch ihren Duft werden die Tiere angezogen, während sie auf Lauer liegt. Elegant, graziös, tödlich. Weiblich?
Flakon
So ziert natürlich der Kopf eines Panthers den Flakon. Ein leichter 3D Effekt durch den von innen gravierten Flakon, ein Sprühkopf, der raffiniert ist und dem Ganzen einen massiven, maskulinen Eindruck verleiht. Das gefällt mir, dass man trotz der hellen Farben und dem Apricot gefärbten Duft einen markanten Gegeneindruck eingebaut hat. Nicht ganz so offensichtlich wie etwas schwarzes, was ich zunächst als passend empfunden hätte – man hat den dunklen, herben Aspekt im Design mit hellen und lichtdurchtränkten Eindrücken konzeptioniert, ein Negativbild des tatsächlichen Panthers. Zugegeben, das schwarz-weiße des Schmuckdesigns wäre auch etwas platt gewesen, und außerdem verkauft sich so etwas sicherlich nicht so dolle. Ich bin allerdings kraß auf schwarz-weiß geeicht, daher hatte ich sofort einen Flakonentwurf im Kopf, der ganz anders ausgesehen hätte, jedoch für einen Mainstream Duft unpassend wäre.
Der 30 ml Flakon ist tatsächlich anders als mein 50ml Flakon – Sorgfalt en detail.
Duft
…aus exakt diesem Konzept heraus, Licht-Finsternis und animalische, jedoch kultivierte Rafinesse ist auch der Duft entstanden. Mathilde Laurent ist kein Blümchenmensch und mag es auch nicht, dass Weiblichkeit mit bonbonlastiger Süße assoziiert wird. Eine Frau ist kein Baiser (Ha! Wortspiel mit ihrem anderen Duft Baiser Volé), sagt sie. Der Duft ist relativ klar aufgebaut: Gardenie, Chypre mit Eichenmoss, Moschus. Mehr wird auch nicht verraten, doch das reicht aus: Hier wurden nicht acht bis sechzehn Noten aufgezählt, die in einer olfaktorischen Kakophonie enden, sondern tatsächlich das, was man als geübter Laie auch schnuppern kann.
Die Gardenie als Kopfnote ist tatsächlich zart und hell, ein schöner Blumenduft, der allerdings auch sehr sinnlich ist. Keine hellen, weissen Mimimi-Mädchen Blüten, keine orientalische Opulenz, aber durchaus die Anmutung von den fleischigen, weißen, saftigen und dennoch zarten Blütenblättern. Cremigkeit.
Chypre.
Wenn etwas meine Baustelle ist, dann ist es Chypre. Tatsächlich hätte ich diesen gar nicht als solchen eingeordnet, denn die mir bekannten im Sinne von lange genutzten Chypre Düfte sind sehr unterschiedlich. Erst der Vergleich zum herb-grasigen Chanel Cristalle und zu meinem Favoriten Sublime Balkiss von The Different Company, ein cleaner, moderne Chpyre, der mit “Obst” kombiniert ist, ließ mich den sehr gut gemachten Chypre mitsamt der herben-dreckig-modrigen aber dennoch für die moderne Nase gesäuberte, mit Eichenmoss akzentuierte Note erkennen.
Einmal habe ich den Duft in die Luft gesprüht und nun ist er im Flur permanent wahrnehmbar (zum Thema Haltbarkeit bzw. Sillage ein Wort: Bombe!)
Daß die Gardenie mit Moschus unterlegt ist und sowohl in Herznote und Basisnote Stabilität verleiht und auch die Möglichkeit, sich der Haut anzupassen, ist klar, wenn man weiß, dass da Moschus drin ist. Allerdings mehr die Sorte Muscs Khoublai Khan als der cleane, saubere Moschus von Muschio Bianco von Acca Kappa.
Der Duft entwickelt sich schön und bleibt durchgehend schön und intensiv, ohne aufdringlich zu sein. Er ist elegant und dass was mein Ehemann als “gut gemacht” bezeichnet, ja, ich habe sogar von ihm (!!!) einen Kompliment dafür bekommen. Trotz der Intensität (ich war ja so lange krank und konnte nichts riechen, da wirken Düfte noch krasser!) habe ich keinerlei Nebenwirkungen gehabt, was sich gerne in juckender Nase oder Kopfschmerzen äußert. Auf der Kleidung aufgeprüht, bleibt der Duft ebenfalls mit der dunklen Chyprenote lange bestehen.
Absolut elegant, auch schön, aber in einer eher düsteren und selbstbewußten Form als in der Schi-scha-Tralala-Blümchen Ecke.
Das Gesamtkonzept geht auf – vom Werbeclip zum Gesicht des Duftes, von der Inspiration und der Widmung an Jeanne Toussaint, von der selbstbewußt auftretenden Parfumeurin Mathilde Laurent (ja, das ist heute wichtig, eine echte Persönlichkeit!) bis hin zum tatsächlich gelungenen Duft.
Ach ja – geht es hier überhaupt um einen Panther? Äh – Nein!
Das vielleicht nochmal ergänzend – es geht um das Konzept des Panthers, wie er bei Cartier dargestellt wird: Wild, aber auch (B)brillant leuchtend, mit einem strahlenden Juwel zwischen den anmutigen, aber tödlichen Pfoten. Es geht nicht um einen “tierischen” Duft, um schmutzige Sexiness, um ein Stinkewässerchen, das auf Männerfang ist. Es geht sogar mal so gar nicht um Männer!
Der Duft ist bald in den Läden, ich empfehle ihn zu testen. Mein Fazit ist heute eher persönlich: Hätte ich im Traum nicht probiert, der Duft braucht außerdem eine gute Auseinandersetzung und ist nix was man eben mal mitnimmt; und: Ich trage ihn.
Seit Wochen, und wenn ich ihn nicht trage, dann fehlt er mir bzw. habe ich ihn in der Nase. Er war mit bislang auch immer angenehm. Ein Platz in meiner Schublade? Schaffen nicht viele. Kein extravaganter Duft, sondern einfach ein schöner.
EDIT: …gefunden bei Fragrantica:
The fragrance is sensual and bold floral – chypre. It is created by perfumer Mathilde Laurent from central notes of gardenia and animalistic musk. The top of the composition exudes greenish – fruity mixture in the form of molecule styrallyl acetates, containing nuances of rhubarb, strawberries, dried fruit, apple and apricot. The heart is dominated by gardenia, selected as the main flower to avoid excessive oriental character and also as not so common ingredient amongst modern perfumes. Ketone musk and oak moss provide irrefutable chypre character.
Okay, die Kopfnote mit Apfel, Aprikose und eventuell Erdbeerblättern erkenne ich, die ist aber schnell weg und weicht der Gardenie. Gloriose Gardenie! Glorioser dunkler Chypre! Der Duft gefällt mir immer besser.
…Randbemerkung:
Den Kontakt zu Cartier habe ich über deren Schmuck geknüpft – ich wollte meiner Passion für Glitzerndes nachgehen, allerdings mehr in Bilderform, was mir persönlich ausreicht, da ich wenig bzw. kleinen Schmuck trage.
Was ich allgemein liebe, sind Broschen und Ringe, und was ich bei Cartier besonders finde, ist tatsächlich der Panther. In einer alten Vogue Ausgabe war das Jahreshoroskop von Cartier gesponsert und mit entsprechenden Schmuckstücken illustriert worden. Gefallen hat mir ein besonderes Stück, das allerdings in Natura besser aussieht als auf Bildern und vor allem nicht von jeder/frau getragen werden kann. Nun bekomme ich das Pressebild zum Duft mit der Parfumeurin Mathilde Laurent und sie trägt exakt, exakt dieses Stück und dazu die wundervollste Brosche aller Zeiten. Den wundervollen Ring habe ich sofort wiedererkannt. Genau mein Ding. Und ich bin mir sehr sicher, daß sie es selbst ausgesucht hat.
Ich war amüsiert, begeistert, neidisch, erfreut und wünsche mir ein Photoshooting mit diesen Pretiosen.
Ein ruhiges Abendessen mit Mme Laurent würde ich allerdings auch nehmen.
echt, panther jagen aus spaß? och. dazu muss ich mich gleich mal belesen. (also DASS viele katzen mit spaß jagen und kleine beute (mehr oder weniger) totspielen, weiß ich aus eigener anschauung. aber dass panther nur aus spaß an der jagd jagen?)
aber die diftbeschreibungen bei dir sind für mich immer “tödlich”, weil sie mich zum testen und geldausgeben anregen. gemeene! mal sehen, ob mich der panther genauso fasziniert wie dich. ab wann kommt der denn in die parfümerien?
ms.hü: zugegeben, dass weiß ich aus einem Spiel aus meiner Kindheit mit Karten, wo was zu den Tieren drauf stand:-D Danke für das Kompliment! Der Duft ist bei Cartier direkt schon erhältlich, wird ab März in den Handel kommen. Habe schon gesehen dass manche Düfte statt 160 nur 100 kosten wenn man gut guckt 😀 also ich kann diese Tipps nicht auch noch geben, weil ich dafür Geld sehen will;aber kleiner HInweis am Rande 😉
re tipps: völlig ok – und DANKE!!
und zum duft selber: hast es wieder geschafft: ich bin angefüttert und shoppingwillig. ich habe nämlich vorhin grade in der parfümerie meines vertrauens eine probe aufgesprüht bekommen und werde mit schnuppern und begeistern gar nicht fertig.
menno! immer hast du so teure (und tolle …) tipps! 😉
danke dir!
und hab ne schöne restwoche mitsamt deinen lieben.
ms.hü: Vorsicht, Pröbchen sind ja schön und gut aber die volle Wucht bekommt man aus einem richtigen Flakon, also unbedingt auch den Tester mal erbitten und ausprobieren. Da kommt es besser zur Geltung, udn du merkst es besser falls er dich doch erschlägt. Ach ja – neee, finde ich nicht teuer. Ich bin einfach versaut zum einen und zum anderen: Er wird lange halten, der hat eine wirklich herausragende Sillage.
Hallo Andrea!
danke! für diesen Beitrag! Ich dachte, ich sehe nicht richtig, als ich ihn gesehen habe, danke danke, Du sprichtst mir mit dem Duft aus der Seele, und die Infos zum Hintergrund, klasse!
Ich habe den Duft vor ca. 3 Wochen bei Douglas als Probe erhalten und zuhause dann zu allen anderen gelegt. Dann wurde ich krank, und weil ich mich so matt fühlte, habe ich gedacht, ich teste mal, so als Stimmungsaufheller, was bei machen Düften auch in die Hose geht, da wird einem eher schlecht… aber siehe da, der Duft, ohne Worte, der erste Duft, der mich richtig umgehauen hat, er passt so gut, zu mir, meiner Haut, und zum Freund, er mag ihn auch! Habe mich direkt online auf die Suche gemacht, bei Douglas nix, nirgendwo erhältlich. Einen Tag später bin ich kränkelnd in die Stadt, zu Douglas, Duft nicht in der Auslage, Verkäuferin gefragt, sie geht zur Schublade: “30, 50 oder 100ml?” 30ml! Und dann gehörte er mir (neben einem Dior- und Ciate-Lack, hach). Seitdem wird er jeden Tag mit Bedacht aufgesprüht, es ist ein Ritual, ich will ihn momentan nicht mehr missen, der erste Duft, den ich wirklich jeden Tag tragen möchte. Und die Chefin hat auch schon gefragt, was das für ein toller Duft ist, Arbeits- und Privatleben gerettet, danke Panther ;-).
Liebe Marit, das musst du ja der Cartier PR schreiben 😉 du hast den schöneren Flakon damit, und der Duft ist so intensiv, der wird ewig halten. Ich habe ihn auch auf meiner Kleidung hier und da und finde ich toll. Tragbar, besonders, er hat glaube ich das, was man Aura nennt. Ich wechsele zwischen sehr unterschiedlichen Düften, aber der hier ist momentan mein Favorit, das stimmt schon.
[…] Tuberose ist recht schwierig, weil schwer und heftig, und ich erinnere mich hier sehr stark an Mathilde Laurents Duft La Panthére , der bereits einige Jahre alt ist und mit Gardenie arbeitet, aber im Konzept sehr ähnlich ist. […]