Ich habe exakt 40 Minuten Freizeit seit – jetzt. Ich könnte mich eincremen oder mal meine Füße lackieren, oder vielleicht einfach mal in der Nase bohren und aus dem Fenster gucken. Schöne Vorstellung! Macht mich gerade nicht glücklich. Ich lese ständig Dinge und will ständig schreiben – das macht mich glücklicher. Also, hier habt Ihr meine Freizeit.
Ich habe explizit nicht working mum geschrieben. Wißt ihr warum? Mein Ehemann geht richtig auf den Zahnfleisch, aber den bemitleidet keiner. Den fragt keiner.
Überfordert? Ja, das hätte ich am liebsten die letzten Wochen einfach nur noch geschrien. Der Grund war einfach: Ich war krank. Das kommt in der Idylle von “working Mensch” leider nicht vor.
Jetzt bin ich wieder fit: Ich habe heute 14 Stunden am Stück (also am Stück ist natürlich… sagen wir fast) geschlafen. Ein schier unvorstellbares Luxus für die meisten Eltern. Unser Teddy schläft momentan wie ein Stein. Wir auch.
Mein Alltag: So früh es geht ins Büro, durchknallen, um 14:45 den Stift fallen lassen und das Kind abholen. Switch work off, switch SMILE on. Dann geht’s zur Freundin zu Besuch oder nach Hause. Ich muss nichts mehr erledigen außer ein wenig Abwasch und den Nachmittagssnack für den Sohn. (LUXUS!!!!!) Spielen, schmusen. Wenn es kein guter Tag ist, die 12 Kilogramm auf den Arm tragen, sich anschreien lassen und alles versuchen, den bösen Bauchweh, die bösen Zähne oder die böse Müdigkeit zu vertreiben. Das gehört dazu, und es ist anstrengend, wenn man partout nicht weiß, was das Kind hat. Es belastet einen ja auch. Weiß ich hingegen: Oh, Zähne! dann bin ich innerlich gewappnet.
Luxus ist es auch, dass ich dann zwei Tage nicht arbeite, oder nur wenn ich meine Stunden nicht voll bekommen habe (zum Beispiel weil ich alleinerziehend bin und das Kind erst in die Krippe bringe). Leider sind die zwei Tage nicht dafür da, die Beine hochzulegen – es soll an den Schreibtisch gehen. Wie oft habe ich das geschafft? Exakt NULL mal, in Zahlen: 0.
Ich musste zum Arzt, ich musste putzen, weil ich es nicht mehr ertrug, ich musste schlafen weil ich krank war, ich musste zum Friseur, ich musste einkaufen um den Ehemann doch ein wenig zu entlasten, oder oder oder.
Der andere working Mensch hat es nicht besser, und das fünf Tage die Woche: Er steht genauso früh auf, bringt das Kind in die Krippe inklusive Rundum-Betreuung namens Waschen und Frühstück machen. Dann ins Büro hetzen, immerhin eine Mittagspause haben, und dann den Stift fallen lassen um das Kind noch 30-45 Minuten zu sehen: Nämlich bei der Rundum-Betreuung bestehend aus Waschen und Ins-Bett bringen. Am Wochenende wird der Wocheneinkauf erledigt (dank Leihauto von Nachbarn…) und gerödelt. Dabei muss immer irgendwie Wäsche, Haushalt oder Aufräuming stattfinden, den der andere working Mensch hat es meist nicht vollständig geschafft. Luxus: Der Weg von der Arbeit nach Hause ist innerhalb derselben kleinen Stadt.
So – egal wie man es dreht und wendet, ob die Rolle vom Mann oder Frau übernommen wird: Es ist schon viel zu tun. Der Stress ist nicht so immens, die Aufgaben sind zu bewältigen – aber: Die Uhr tickt unerbittlich im Hintergrund. Ich habe noch 21 Minuten Freizeit. Ich muss eigentlich die Karten schreiben (schaffe ich seit zwei Wochen nicht…) und heute abend weiß ich, dass die Wäsche wartet. Anderthalb Stunden oder eine Freizeit mit Ehemann, dann geht’s ins Bett.
24/7.
Unser Luxus? Das unglaubliche Lachen dieses Kindes, das uns durch den Tag aufrecht hält.
Leider immer und überall das schlechte Gewissen: Boah, ist der Fußboden dreckig, Mist, schon wieder Freunde nicht angerufen (können die nicht einfach vorbei kommen? Warum sind wir sozial abgeschnitten?), es muss dies und das gemacht werden aber dann hat man keine Zeit für das Kind, was man eh sehr wenig sieht (und das sage ich, die ihn am meisten sieht!).
Mir fehlt sogar die Kraft, mal richtig auf die Kacke zu hauen. Denn ich werde immer wieder auf mein Glück hingewiesen. Meckern sollte ich bitte wann anders.
Nun ja… Wisst ihr aber was? ICH BIN UNZUFRIEDEN. Ich bin immer unzufrieden, sagt mein Ehemann milde lächelnd. Ich fühle mich an allen Fronten ungenügend: Im Job, weil ich gehen muss und wichtige Termine IMMER so stattfinden, dass ich sie nicht wahrnehmen kann (Chef sieht es entspannter als ich – ich scheitere am eigenen Anspruch…). Als Mutter, weil ich so wenig Zeit mit dem Teddy verbringe – und nebenbei immer was mache, selten einfach nur “da” bin. Als Wissenschaftlerin kann ich nur sagen: Wo sind meine Hirnzellen? Ich lechze danach, meine Arbeit wiederaufzunehmen und was zu machen, ich bin so unglücklich und unzufrieden dass ich nicht dazu komme…
Scheitern wir an den eigenen Anspruch? Was würde helfen?
1. Es interessiert keine Sau, wie dreckig es hier ist. Oder ob ich was frisches gekocht habe oder eine TK-Pizza.
2. Job ist klar begrenzt und Überstunden nennt man schlicht “Mehrarbeit”. Interessiert keine Sau, wird nicht bezahlt, einzig: Man kann es abbummeln. Ergo: Unbezahlte Arbeit wird nicht verrichtet.
3. Haushalt und sonstiges kann man delegieren, es kostet einfach nur viel, viel Geld. In den sauren Apfel beißen, zahlen.
4. ZEIT ist kostbar und Freunde wichtig. Anrufen, einladen. Mehr kann man nicht tun. Wer nicht will, der hat schon.
5. ZEIT zum Denken? Einplanen. Es geht nicht anders – die Uhr tickt unerbittlich, und wenn sowieso alles getaktet ist, warum nicht auch die Zeit zum Denken?
So, jetzt haben wir hier sogar eine Lösung. Und? Tja, das Leben ist nicht so.
Das Leben sieht vor, dass man zuweilen alleinerziehend ist, dass man krank ist, dass man mit Anwälten zu tun hat, dass man keine Haushälterin beschäftigen kann, weil es kein Geld regnet.
So, meine Zeit ist jetzt sei vier Minuten um, sorry – mehr gibt es später…
Danke für deine Zeit 🙂
:-/ *Packung Ben&Jerry’s rüberschieb*
Berit: LOL – ich habe eine Laktoseintoleranz, schieb ma’ ne Tüte Chips rüber (aber da auch nur zwei Sorten die ich essen kann…)
Perfekte Eltern werdet ihr nicht, aus guntem Grund: sowas gibt es nicht. Aber solange man sein Allerbestes gibt, sollte man kein schlechtes Gewissen haben.
G:Ich gebe nicht mein allerbestes – ich könnte weniger schlafen und mehr – mehr mehr eben. Mehr machen, schöner, schneller, aber ich schlafe stattdessen.
Wäre ich lieber bei der klassischen Tasse Tee geblieben 😀
Ach meine liebe Working Mensch. Als ich heute viel zu knapp um 16:43 mich von Kundensystem abgemeldet habe mit dem Wissen, etwas nicht vollständig gemacht zu haben (und morgen früh ggf. Probleme bekomme, wenn ich es nicht frühzeitig fertig mache) und zum Kindergarten gesprintet bin, um 2 Minuten zu spät zu kommen, da war sie, die große Unzufriedenheit nichts gut hinzubekommen. Es stimmt ja nicht, ich leiste hervorragende Arbeit und habe ein liebes Kind, aber es ist oft schwer das täglich so zu sehen, oder?
Und dann solche Spässchen wie mitzubekommen, dass ich damals vor paar Jahren an der Teamleiter Position wegen meiner Schwangerschaft vorbei geschrammt bin. Besetzt durch einen männlichen jüngeren Kollegen, natürlich. Aber die Tür hat sich wieder geöffnet und ich werde mal wieder in Betracht gezogen. Soll mir aber Gedanken über meine Flexibilität machen, schrieb der Chef. Wie klingt das für euch? Scheisse.
Ich freue mich ja für alle, die in der Babyzeit und auch danach friede Freude Eierkuchen haben. Wir nicht, wir sind kaputt. Aber irgendwann wird alles leichter. Hoffentlich 🙂
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Klingt nach… Natürlich wird die Teamleitung nicht von einer Frau besetzt, es sei denn es ist auszuschließen dass sie noch werfen wird. Und wenn, dann wird von der Frau einfach mal pauschal 35% mehr erwartet – während Männer heisse Luft produzieren und das ernsthaft als Ergebnis verkaufen, ist frau damit beschäftigt zu arbeiten und vergisst darüber, sich selbst zu loben (wann denn auch). Diese Denke ist aber bei uns allen drin – wie oft sage ich oder höre ich: nee geht nicht Meeting dies und das, ich muss was tun. Bullshit – im Meeting sitzen Leute, die wenig bis nichts tun aber “wichtig” sind – während die fleißigen Arbeitsbienen alles weg arbeiten um noch mehr auf den Tisch geklatscht zu bekommen. Also – Präsenz statt Arbeit. Das ist der deutsche Arbeitnehmer…
Ich bin gerade sprachlos. Jammern auf hohem Niveau.
Stelle Dir vor, dass Du in einer Klinik arbeiten würdest, mit viel Verantwortung und auch unter hohem körperlichem Einsatz. Stelle Dir jedoch ein deutlich geringeres Gehalt vor, als das Klischee vorgibt.
Stelle Dir Schichtdienste und Wochendarbeit vor, inclusive in der Nacht, auch mit 24 h Dienst ohne eine Sekunde Schlaf. Dazu kein Freizeitausgleich für Mehrarbeit. Eine Vollzeitstelle mit 39 Stundenwoche in der Theorie, 70 bis 80 Stunden rechnet die Realität.
Stelle Dir weiter vor, dass Du selbst an einer chronischen Erkrankung leidest, die in Schüben auftritt. Ein Schub rafft Dich hin und Du weißt nicht, wie lange er andauert und wann der nächste kommt.
Diese Erkrankung musst Du geheim halten, weil Dich sonst damit niemand einstellt. Eine BU- Versicherung auf privater Basis ist unmöglich, weil Du mit der Erkrankung ein Ausschlusskriterium hast.
Stelle Dir auch vor, dass Du auch ein Kind erziehst, ohne Hilfe – Mann und Großeltern wollen nichts von Deiner Schwangerschaft wissen und viele Jahre nichts vom Kind.
Ich kann hier auch weiter schreiben, Dinge und Faktoren aufzählen, die es mir nicht leichter gemacht haben.
Die Erkrankung nennt sich M. Crohn.
Aber alles hat hat sich gelohnt – mein Mödchen wird in ein paar Tagen süße 16 Jahre jung, schmiedet Pläne für die Zeit nach dem Abi und sagte letztens zu mir:
“Du bist so verdammt cool!”
Yaaassss, Baby….Wir sind alle cool, aber das vergessen wir manchmal.
Liebe Marie, ich weiß was Morbus Crohn ist. Und ich weiß was Schichtarbeit ist (selbst, und auch aus der Familie). Ohne grosses Netzwerk dazu. Daher weiß ich dass es weit schlechter gehen kann. Trotzdem-ich spreche Dinge aus, die andere Frauen auchd enken und fühlen, mehr nicht. Es ist in den gegebenen Umständen nie alles optimal, oder? Aber genau deshlab ist es wichtig zu jammern – weil jemand kommt und sagt: Hey, scheiße, aber es wird. Komm, ich helfe dir. oder aber-hey, scheiße, aber es könnte ja schliemr sein und guck mal, bist nicht alleine. Es geht immer schlechter. Wir haben Krieg ein paar tausend Kilometer vor der Haustür.
Es geht genau darum: Zu sagen: Cool. Danke Mama. Oder dass wir uns sagen-hey, muss nicht alles so sein. Und trotdzem alles ok.
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