Vom souveränen Schweigen: Strategische Stille

Frauen können nicht “Nein” sagen.

Frauen streben nicht nach Macht.

Frauen sind zu empathisch.

Polemik? Pauschalurteil? Ich wünschte – wie immer ist das keine allgemeingültige Wahrheit, aber leider doch common sense.


– Frauen können nicht “Nein” sagen und wenn, dann versuchen sie es zu begründen. Dabei lernt man bei Kindererziehung: Kinder müssen ein “Nein” auch ohne Grund akzeptieren, denn man muss ihnen Grenzen setzen. Weshalb sollte das nicht auch bei Erwachsenen funktionieren bzw. richtig sein? Ich habe in einem Ratgeber allerdings gelesen, dass man nicht “Nein” sagen soll, sondern etwas formulieren, was nicht so ablehnend klingt. Blümchengewäsch.
“Nein” sagen ist (küchentischpsychologisch gesprochen) die strategische Entscheidung für sich selbst. Und diese muss nicht begründet werden.

Im Job können andere Regeln gelten, seinem Chef “Nein” zu sagen kostet einiges an Überwindung. Dieses “Nein” darf allerdings auf keinen Fall mit persönlichen Dinge begründet werden, sondern mit neutralen Fakten.
– Nein, ich habe zu viele Überstunden. Besser als: Nein, ich muss mich um meine Kinder kümmern.
Bitter aber wahr: Letzteres interessiert keine Sau, schon gar nicht egozentrische, machtfixierte und mit null Empathie gesegnete Führungskräfte (will Frauen nicht ausnehmen…).


Der zweite Punkt ist etwas heikel. Ich persönlich bin ein Machtmensch und relativer Kontrollfreak. Ich will das Sagen haben, fertig. In einer reinen Frauengruppe unüblich und befremdend, das habe ich gemerkt, in einer Männergruppe völlig selbstverständlich. Wer sich in einer “Männerrunde” durchsetzen will, muss sich anders verhalten: Konsens ist Blümchengewäsch.
Was einem vielleicht eher liegt als rumzubrüllen, ist Schweigen. Und damit meine ich nicht, sich als Maus in der Ecke zu verstecken, sondern strategische Pausen einzulegen und auch nicht sofort los zu reden, wen man angesprochen wird. Zwei Sekunden (20, 21, 22) zählen bevor man etwas sagt, sorgt für die nötige Aufmerksamkeit – und wenn einer vorher anfängt, einfach unterbrechen und weiter reden, ohne die Stimme zu erheben.
Die Körpersprache sollte einem als Unterstützung dienen – zurücklehnen statt zusammenkauern, sich groß machen in dem frau die Arme auseinander nimmt und nicht verschränkt, Beine übereinander schlagen und vom Tisch wegrücken. Nicht zu nah am Tisch sitzen! Am besten die Männerrunde beobachten und sich genauso hinsetzen. Und mindestens den zweitbesten Sitzplatz auswählen, wenn nicht sogar den besten: So dass man alle sehen kann und viel Platz hat (auch wenn man eher klein ist bzw. gerade dann).
Macht muss man nicht unbedingt wollen. Aber man darf einfach keine Angst oder Scheu haben, denn Macht ist in erster Linie Dein “Selbst-Bewusst-Sein”. Der Begriff Selbstbestimmung kann hier wieder fallen: Wer selbst bestimmt ist und sich so fühlt, in sich ruht, strahlt das aus. Man kann immer gehen, man kann jederzeit aufstehen und gehen! Ja, selbst wenn es einen den Job kostet. Du bist selbstbestimmt! Es ist Dein Leben, Deine Wahl. So einfach ist es.

Macht bekommt man zwar auch durch Kompetenz, aber in erster Linie durch Persönlichkeit und Verhalten. Wie sind die Gorillamännchen in Deiner Umgebung so drauf, wie agieren sie, wie kommunizieren sie? Beobachte und lerne. (Küchentischpsychologie Nr. 2: Beobachten, und zwar richtig offen, ist auch eine Möglichkeit Macht zu demonstrieren. Und man kann wieder schweigen.)


Frauen und Empathie – ich zitiere dazu Dinge wie: Ich will aber kein Arschloch sein Oder: Ich will eine harmonische Atmosphäre. Der Killerspruch für mich schlechthin: Ich will mich nicht verstellen/anders sein.
Musst Du aber! Es sei denn, Du bist von vornherein ein egozenrisches, machtbessenes Arschloch, dem jegliche Empathie für seien Mitmenschen fehlt und nur seine eigenen Interessen verfolgt, koste es was es wolle. Manipulativ, gierig, rücksichtslos – und meist erfolgreich. Bist du nicht?! Dann musst Du Dich zumindest ein wenig verstellen bzw. Dich weniger angreifbar machen.
Empathie ist Gottes Gabe an die Menschen – okay, nehmen wir Gott wieder heraus, aber was uns zu Menschen macht, ist vermutlich genau das. Nicht Ratio, sondern Empathie, Liebe, Unvernunft (der Mensch ist hochgradig irrational).
Leider ist Mitfühlen und für alle Mitdenken, es allen Recht machen, etwas sehr weibliches und wird nicht anerkannt. Ohne würde in dieser Welt zwar nichts funktionieren, aber in der relativ einfach gestrickten männlichen Welt* bedeutet es: Unnötige Komplexität und unnötiger Ballast. Wenn man allerdings reflexiv ist, Strukturen erkennt, sich in andere hinein versetzt, kann daraus Schlüsse ziehen, Strategien entwickeln und anwenden.
Großartigerweise ist das einfach nur unsere gegebene Vernunft, bloß dass frau auf einer Meta-Ebene alles anschaut und sich selbst einbezieht: Bin ich zu weich, stecke ich zurück, wer will was warum und wo stehe ich? Wenn man Empathie also zur bewussten Beobachtung nutzt, ist sie Deine stärkste Waffe. Selbst-Bewusst-Sein.


So, und wenn jetzt die Kommentare kommen, die wieder sagen, nein, so ist das doch gar nicht, und alles Klischee und Stereotyp, polemsich und verallgemeinernd, und “es geht um innere Werte” – pah.
Ich sage nur: Guckt Euch die Zahlen an. Guckt Euch an wer oben sitzt, und wer zu Hause Kinderscheisse wegmacht. Und guckt genau hin, ob das wirklich so gewollt ist. Und fragt Euch, ob es nicht geil wäre (ich meine das wirklich auch so!) was “zu sagen” zu haben, Dinge zu ändern. Und das nicht nur im Kleinen. Ich bin gerne eine Frau, aber ich bin nicht bereit, mich aufgrund dessen von Männern unterbuttern zu lassen.
Ich bin klein, laut und ich weiß, muss noch viel lernen – aber ich will etwas ändern. Das hier sind die Spielregeln, die ich bislang herausgefunden habe; sie müssen nicht immer stimmen und Änderungen sind möglich und vor allem erwünscht. Alles ist ein Prozess! Der geht aber nur voran,in dem wir teilnehmen.

Und ich hätte gerne auch ein paar männliche Meinungen – fragt Ihr doch auch mal nach in Euren männlichen Umfeld.

AMEN. Oder: EAT THIS.

*Ich bin ein Männerfeind, Sexist und Stereotypenverbreiter. Politisch korrekt bin ich erst nächste Woche wieder :-p

7 Gedanken zu „Vom souveränen Schweigen: Strategische Stille

  1. bis auf die tatsache, dass ich dich ganz und gar nicht für eine männerfeindin halte – amen.
    wieder sehr weiblich (weil empathisch): etwas kritisch als frau zu betrachten heißt, dem ganzen feindlich gegenüber zu stehen? aus wessen sicht denn? wer ist denn da subjekt? – weil ich patriarchale strukturen sehe und kritisiere bin ich gleich eine männerfeindin? ich glaube nicht. etwas kritisch zu sehen heißt, es beim NAMEN zu nennen.

    “Guckt Euch an wer oben sitzt, und wer zu Hause Kinderscheisse wegmacht.”
    mein lieblingsthema. frauen rechtfertigen das auch noch mit: (zögerlich, blick gesenkt, leise stimme) naja, er verdient halt mehr… so what? dann verdient ER halt mal weniger und SIE in dem einen elternjahr, in dem er mal scheisse wegmacht, dafür um so mehr. die kasse wird vielleicht knapper, aber insgesamt geht eventuell eine andere, ganz alte rechnung auf. ich kenne KEINEN mann, der sich zu gleichen teilen an allen aspekten der kindererziehung beteiligt oder das auch nur in betracht ziehen würde. angefangen bei der elternzeit, die in skandinavien selbstverständlich zwischen den partnern zu teilen ist. kennt ihr paare, wo das 50:50 verteilt ist?
    kinder sind frauensache. aha? und wo steht das? ist das ein genetischer fakt? eine art behinderung? … oder ein stigma??
    früher dachte ich, das stimmt nicht, dass frauen selber schuld sind an dem dilemma. ganz unterschreibe ich das auch bis heute nicht, das wäre mir zu neoliberal. aber sie wehren sich nicht gegen patriarchale strukturen, weil es schon immer so war und weil sie dem gesellschaftlich konstruierten bild von “der frau” entsprechen wollen.
    dann also kinderscheisse wegmachen, während er mit den buddies geschäfte macht oder zu seiner (kinderlosen) geliebten fährt. (achtung, polemik!)
    ich höre schon: aber ist doch SCHÖÖÖÖN, sich ums kind zu kümmern? und, was hat das leben sonst noch so zu bieten?
    oder: das ist aber unrealistisch!! stimmt! weil alle erwarten, dass “der gesetzgeber” das regelt oder die andere doch den ersten schritt machen möge.
    selbst-bewußt-sein (und nein sagen) fängt wohl auch dabei an zu sagen, nein, mit MIR SO nicht (und mit DIR dann eben auch nicht).
    andreea hat vollkommen recht, wenn sie sagt, guckt euch die zahlen an, wer oben sitzt. Oder werft mal einen blick auf gehaltsabrechnungen bei gleicher arbeit. 2011 und für frauen ist es immer noch nicht selbstverständlich, dass sie FORDERN und selber dafür einstehen, die hälfte vom kuchen zu bekommen, den sie selbst mit backen.

  2. Ich will auch keine Hausfrau sein, das würde mich töten. Gerechte Arbeitsteilung strebe ich mit meinem Verlobten an, ich will keine drei Jahre allein die Kinder am Hals haben. Auch wenn er mehr verdienen wird als ich – es geht nicht nur ums Einkommen, sondern auch darum, zu machen, was man möchte und seine eigene Zukunft zu sichern.

    Wenn ich sehe, wie ungerecht die Gehälter sind, könnte ich vor Wut allen Männern (und Frauen), die dafür verantwortlich sind, den Kopf abreißen. Das ist gelinde gesagt zum Kotzen.

    So, genug gemotzt 🙂

    1. Die Frauen geben sich halt mit weniger zufrieden – “es reicht mir” heisst es dann. Ja, weil der Kerl mehr verdient?! Und weshalb sollte es mir reichen – wie wird denn meine Arbeit honoriert? Genug zum Leben, oder zu viel zum Sterben? Ich kann es mir derzeit nicht aussuchen, aber wenn hätte ich sicher mehr Geld gefordert als ich bekomme. Und vermutlich hätte ich es auch bekommen.

  3. Ich stimme deinen Tipps absolut zu, ich habe selbst knapp 10 Jahre in einer männerdominierten Branche gearbeitet und dabei unglaublich viel über männliches und weibliches Verhalten gelernt. Mit deinen “Regeln” hatte ich erschreckenden Erfolg (und bei Nichtanwendung auch mal erschreckenden Misserfolg 😉 ). Irgendwann hatte ich es aber satt, all diese männlichen Dinge zu tun. Letzlich glaube ich, dass sich nur Authentizität durchsetzt, und meine Spielfreude an dieser für mich eigentlich fremden Welt war aufgebraucht. Ich mag nicht mein ganzes Leben kämpfen und mich mit “ignoranten” Männern herumschlagen.
    Deswegen möchte ich bei meinen nächsten Schritten meine eigenen Spielregeln als Maßstab nehmen. Ein großes Vorhaben, vor dem ich eine Menge Respekt habe. Wie ich es machen werde, weiß ich noch nicht, aber es wird werden, da bin ich zuversichtlich.
    Es ist echt ein Thema, das man mit einem Kommentar gar nicht abhandeln kann. Ein Plausch bei einem Gläschen Wein wäre da passender.

    1. Vielleicht ist es aj eine gute Möglichkeit für den Anfang. Das Ganze ist ja ein Prozess in dem man einsteigen muss um ihn zu verändern. Man sollte sich stets dessen bewusst sein dass es ein Spiel verbleibt, so lange kann man Absatnd dazu bekommen. Man kann aber dabei sich treu bleiben – indem man geht wenn es nicht mehr geht. Du hast es auch getan – und wirst jetzt deine eigenen Spielregeln aufstellen. Ich frage mich ob man irgendwann genug Macht hat um die Spielregeln zu diktieren – darauf läuft es hinaus. Ohne Struktur sind wir nur Mehrzeller… am besten wäre es wenn alle so sein könnten wie sie sind. Das Leben wäre viel einfacher!

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