Die Uhr ist das einzig kulturell anerkannte Schmuckstück des Mannes. WAR. Gen Z trägt jetzt auch Perlenketten, wie vormals auch, Tiffany’s hat die LGBQIT+ als Zielgruppe entdeckt und verkauft nun Verlobungsringe für “Männer”, gerne mit fünf Karat. Uhren für 5k oder für 25k oder für 1Million Keks – Sky is the limit!
Und natürlich geht es stets um den symbolischen Wert. Also um die Marke, und was damit verbunden wird. Technik und Ästhetik sind die Kirsche auf der Sahnehaube, allerdings wissen wir alle, dass diese niemals so teuer sein müssten. Es gibt bereits gute, schöne Automatikuhren ab 500 Euro, ab tausend Euro, und das ist schon der Endpreis. Was eine Rolex für 5K also in der Herstellung kostet? Wer weiß, aber was sie so begehrt und teuer macht ist definitiv die krasse Marketingmaschinerie dahinter. Das nötigt einem schon Respekt ab! Rolex ist einfach bekannt. Snobs kennen auch Dinge wie De Bethune oder Jacob & Co, aber natürlich ist das nichts, was man an den Handgelenken so tagtäglich sieht.
Nach einem überaus anregenden Gespräch mit einer erfolgreichen Ingenieurin, machte ich mir den Spaß und fragte auf Twitter nach Traumuhren. Meine Timeline füllte sich im Nu mit den üblichen Verdächtigen, die auch ich bevorzuge. Überwiegend cleane Ästhetik und technisches Raffinesse.
Doch geht die Diskussion vielleicht darüber hinaus – ist Luxus verwerflich? Ist es noch Luxus, wenn es für andere “erkennbar/sichtbar” ist? Ist “the untangible”, also das nicht Fassbare, der eigentliche Luxus? Ist Zeit ein Konstrukt, das uns abfuckt und hat gar nicht den Wert, dem wir es beimessen?
Luxusuhren vermitteln eine gewisse Art von Sicherheit und einen Gegenwert, was bei Uhren natürlich eine krasse Ironie sein kann, wenn man bedenkt wieviel Lebenszeit mensch dafür opfert, um sich so etwas ans Handgelenk zu schnallen, quasi eine tägliche Erinnerung an die Sklaverei der Lohnarbeit *höhö*
Bösartig wie ich bin, habe ich mir eine Auflistung der gängigen Uhrenmarken überlegt und einen Träger(sic) dazu assoziiert:
– Rolex bis 15k – Du hast Dir diese Uhr erarbeitet und zeigst es gerne, oder Du hast weder Geschmack noch Rückgrat und trägst das, was alle im Golfclub so tragen. Deine Gattin hat Dir eventuell von Deiner eigenen Kreditkarte das Teil zu Weihnachten gekauft.
– Breitling – Du bist sportlich und ein Vielflieger oder aber Du willst diesen Eindruck vermitteln, denn Du hast weder eine Taucherschein, noch gehst Du golfen, und in der Szene-Kneipe reisst Du auch niemand auf. Die Uhr hast Du eventuell günstiger im Duty-Free geschossen oder die Schwiegereltern haben dir mal “was ordentliches” zur Hochzeit geschenkt.
– Rolex ab 25k – Zuhälter. Schweinewirt. Eventuell ein Sammler. Oder Profi-Sportler. Eventuell korrupter Vorstand und die Rolex wurde abgeschrieben als Firmengeschenk.
– Rado – die schwarzen Keramikuhren sind Kult, und Du bist auch ungefähr so alt wie dieser Kult. Boomer! Eventuell hast Du die Uhr von der Oma übernommen und weißt gar nicht, was sie wert ist, sieht aber kultig aus, als Bruch zu Deinem Kapuzenpulli in der Agentur.
– Jaeger-Le-Coultre – Du bist ein ruhiger, erfolgreicher Notar, liebender Familienvater, innerlich ausgeglichen und äußerst kultiviert. Protziges kommt Dir nicht ins Haus, Du bist mit der Bahn ins Büro gefahren und das Haus auf Sylt ist in dritter Generation im Familienbesitz. Deine Bibliothek, dein Kulturabo, deine tolle Familie, und wer weiß, ob Du in Wirklichkeit nicht ein Kettensägenmörder bist.
– Cartier – Adel verpflichtet, und Du weißt das. Cartier hat die Armbanduhr erfunden und wie es kein anderes Label der Welt geschafft, stets ohne Werbung präsent zu sein, an jedem Handgelenk, an jeder Celebrity und irgendwelchen modrigen Royals. Die kleine Cartier gab es zur Konfirmation. Die große Cartier gab es zum Abschluß. Du hast ein Segelschein und fährst Ski, aber nicht in St. Moritz, das ist zu teuer. Deine 2-4 Kinder gehen aufs Internat, und Du selbst lebst recht bescheiden. Deine Kaschmir-Pullis haben Löcher und Deine Barbourjacke war schon Mal auf einer echten Jagd, Du hast sie aber auf einem Segeltörn mal mitgehen lassen. Etikette und Manieren sind nicht Deins, das brauchst Du auch nicht, und Dir beim Essen zuzusehen ist purer Schmerz.
Dein Bildungsstand ist genauso gekauft wie die Uhr, oder aber Du bist inkognito unterwegs und in Wahrheit der Sohn eines Ölscheichs.
– Nomos – Du bist Lehrer/Akademiker/Öko. Eventuell alles drei zusammen.
– Audemar Piguet – Auf dem ersten Blick erkennbar und am Handgelenk vieler Stars, Sternchen, Influencern und sonstigen Rich Kids. Völlig auswechselbarer Träger, daher hier keine weitere Erläuterung.
– A. Lange & Söhne – Dir gehört der Laden. Man kennt Dich, aber niemand wird in Deiner Nähe laut, nur respektvoll. Du hast Personal, das aus Überzeugung für Dich arbeitet. Du bist korrekt, sympathisch, ein guter Bürger und genauso langweilig, ebenso wie das perfekte Interieur und die perfekte Ehefrau, der perfekte Garten und die perfekt kuratierte Sammlung moderner Kunst.
– Patek Phillipe – Du bist eine Frau mit Geschmack, Eier und min. sechsstelligen Gehalt.
Welche Firma habe ich vergessen? Was tragt Ihr für eine Ihr? Welche wollt Ihr kaufen? Welche würdet Ihr niemals tragen?
P.S.: Ich habe eine Nomos, ich möchte eine Rolex Oyster oder Cartier Tank (es ist wirklich das Design), ich würde niemals eine Bicolor/Gelbgolduhr tragen.
Ich trage ausschließlich selbst designte Uhren. Eine Rolex tragen kann doch jeder, nicht jedoch die eigene universelle Uhr. Lg, Mellie
Chapeau! Ich trage keine mehr, und damit sage ich was über Zeit aus…
Viel Schubladendenken. Omega wäre noch interessant gewesen zu erwähnen. In welche „Kategorie“ steckst du diese Marke. Liebe Grüße von einem Cartiet/Omega/IWC/Rolex tragenden Akademiker 😉
Tja, ich kann nur gratulieren wenn die monetären Verhältnisse gleich eine Sammlung zulassen! Schönes Hobby. Omega? Wenn etwas so gesichtslos ist, dass man nicht mal eine Meinung dazu hat, well well… 😜 in diesem Fall muss ich sagen, dass ich es schlichtweg nicht weiß. Ich kennen einen Uhrenfan, der sowas trägt und der ist sogar vom Fach. Das sog. “Schubladendenken” ist eine Analyse der Zielgruppen, des Marketings, und schlichtweg logische Schlussfolgerungen. Bin ja Semeiotikerin, auseinaderpflücken von Symbolen ist mein Metier. Ich wollte ja mal eine Rolex haben (fand sie sehr bequem), in Wahrheit eine Cartier (old money vortäuschen 😝) – und habe dann das Geld lieber angelegt, getreu dem Motto “kein Geld ausgeben, um andere mit meinem Geld zu beeindrucken.”